Die Einbeziehung von Naturheilkunde und Umweltmedizin kann in der Frauenheilkunde Kosten einsparen und Gesundheit erhalten.
Komplementär- und Umweltmedizin spielen in der Frauenheilkunde noch immer eine untergeordnete Rolle. Vergleicht man die Frauenheilkunde jedoch mit anderen medizinischen Fächern, wie beispielsweise Neurologie, Psychiatrie, Dermatologie oder Orthopädie, so ist in den letzten Jahrzehnten doch einiges erreicht worden. Die Brücke zwischen Traditionellen Heilmethoden und moderner Universitätsmedizin ist breiter und tragfähiger geworden.
Dieser Artikel beleuchtet, bewertet und kommentiert aus subjektiver Sicht die wechselhafte Entwicklung komplementär- und umweltmedizinischer Konzepte in der Frauenheilkunde der letzten 70 Jahre. Es werden Wünsche von Seiten der Frauen und Forderungen von Seiten der Ärzte an politische Entscheidungsträger formuliert, damit für jede Frau eine ganzheitliche Behandlung möglich wird.
Rückblick auf die medizinischen Erfolge der Nachkriegsjahre
In den ersten 40 Jahren nach dem 2. Weltkrieg gab es in Deutschland neben dem wirtschaftlichen Aufschwung auch einen medizinischen: Kliniken wurden neu aufgebaut, die modernsten Diagnostikgeräte angeschafft, in der Hygiene, Biochemie und Pharmakologie wurden Methoden weiterentwickelt, die einen Einblick in immer kleinere Segmente des Körpers und des Stoffwechsels erlaubten. Als ich selbst in den sechziger Jahren Medizin studierte und in den Siebzigern meine Facharztausbildung an großen städtischen Kliniken und an der Universität absolvierte, faszinierte mich die moderne Frauenheilkunde aus den verschiedensten Gründen.
Beispiele von Erfolgen der modernen Frauenheilkunde
- Mit Tabletten und Hormonspritzen konnte bei Frauen ein Eisprung ausgelöst werden, wodurch Schwangerschaften möglich wurden, die auf natürlichem Wege nicht zustande gekommen wären.
- Die Hormonpille zur Verhütung ermöglichte es jeder Frau, selber zu bestimmen, wann sie schwanger werden und wann sie wie oft mit wie vielen Partnern sexuell verkehren wollte.
- In der Schwangerschaft konnten biochemisch (ohne Tierversuche) Hormone gemessen und der Zustand des Fötus beurteilt werden.
- Mit Einführung der Kardiotokografie (CTG) und pH-Elektroden konnte der Fötus vor und während der Geburt nonstop überwacht werden.
- Die kindliche und mütterliche Mortalität sanken kontinuierlich.
- Dank PAP-Abstrich und Konisation starben weniger junge Frauen an Unterleibskrebs.
- Die Hormonersatztherapie bei Wechseljahresbeschwerden versprach jeder älteren Frau ein gesundes Leben mit Bewahrung der Jugendlichkeit.
- Bei Brustkrebs wurden die erkrankte Brust und sämtliche Lymphknoten entfernt; damit, so glaubten wir, seien die Frauen geheilt.
- Diese Aufzählung könnte ich noch beliebig erweitern.
Rückschläge der modernen Frauenheilkunde
Neben diesen großen medizinischen Fortschritten in der Frauenheilkunde wurde aber auch nach und nach deutlich, dass es viele Krankheiten und Beschwerden der Frauen gab, die einfach immer wiederkehrten, egal, was man versuchte:
- das prämenstruelle Syndrom,
- Wechseljahresbeschwerden,
- die Uterusmyome,
- die Endometriose,
- wiederholte Fehlgeburten,
- rezidivierende Scheideninfektionen oder Blasenentzündungen.
In den achtziger Jahren machte sich auf der einen Seite Frustration breit, auf der anderen Seite suchten wir jungen Ärzte nach Hilfen für diese sehr störenden Probleme im Alltag der Frau. Die ersten Kollegen demonstrierten, wie man mit Akupunktur Schmerzen reduzieren konnte. Ganz vorsichtig wurden – noch hinter vorgehaltener Hand – Kügelchen an Patientinnen weitergegeben, in denen zwar kein Wirkstoff drin war, die aber trotzdem wirken sollten.
Neben dem Versuch, Beschwerden alternativ beizukommen, setzten wir zudem die Suche nach den Wurzeln der Krankheiten fort. Wir wurden auf Amalgam aufmerksam, auf Umweltgifte, die sowohl das hormonelle als auch das immunologische System belasteten (Stichwort: Holzschutzmittel).
Aufbruch in eine Ganzheitsmedizin in den 80er Jahren
In den achtziger Jahren musste ich mich entscheiden, ob ich in die Praxis gehen oder an der Uni bleiben wollte. Die Entscheidung fiel mir leicht, denn ich wollte weiter forschen und herausfinden, was an den naturheilkundlichen Methoden dran ist. Ich glaubte, dass es an einer Universität leicht sein sollte, aufgeschlossene Kollegen zu finden, die genügend naturwissenschaftliches Know-how hätten, um die anstehenden Fragen unvoreingenommen zu klären.
Erste Studien zur Ganzheitsmedizin
Mit Hilfe der Karl und Veronica Carstens Stiftung gelangen die ersten Studien, die etwa zeigten, dass wir bei bestimmten Hormonstörungen mit Akupunktur genauso gut einen Eisprung auslösen konnten wie mit Hormontabletten. Oder wir bewiesen, dass Frauen mit einer Gelbkörperunterfunktion mehr mit Schwermetallen belastet waren als Frauen mit normalem Zyklus. Oder wir deckten auf, dass Frauen mit einer Holzschutzmittelbelastung gehäuft Fehlgeburten erlitten.
Durch diese Forschungsarbeiten fanden sich rasch in ganz Deutschland Kollegen, die wie ich daran interessiert waren, die Naturheilkunde (das Wort Komplementärmedizin tauchte erst viel später auf) und Umweltmedizin für die Praxis auf sichere Füße zu stellen.
Gründung neuer medizinischer Fachgesellschaften
- 1992 gründete ich in Heidelberg zusammen mit Internisten, Hygienikern, Epidemiologen, Arbeitsmedizinern u. a. die Interdisziplinäre Gesellschaft für Umweltmedizin (IGUMED), die 2012 in Hamburg ihr 20-jähriges Jubiläum feiern konnte.
- 1993 hob ich zusammen mit engagierten Frauenärzten in Heidelberg die Arbeitsgemeinschaft für Naturheilkunde und Umweltmedizin (NATUM) als Arbeitsgemeinschaft (AG) der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (DGGG) aus der Taufe, die 2013 in Berlin ihr 20-jähriges Bestehen feierte.
Ambulanz für Naturheilkunde an der Universitäts-Frauenklinik
Schließlich gründete 1993 die Karl und Veronica Carstens Stiftung an der Univ. Frauenklinik in Heidelberg die erste Ambulanz für Naturheilkunde und Umweltmedizin an einer deutschen Uni-Frauenklinik, deren Leitung ich übernahm.
Forschung, Ausbildung und Vernetzung
Jetzt durften wir unsere Kollegen praktisch in Naturheilkunde und Umweltmedizin ausbilden, zwei in den 1990ig-er Jahren sehr beliebte Zusatzbezeichnungen. Engagierte junge Ärzte, jeweils spezialisiert auf ein bestimmtes Verfahren, beispielsweise Akupunktur, Homöopathie, Psychotherapie, Umweltmedizin usw., betreuten gemeinsam die Patientinnen, tauschten ihre Erfahrungen aus und dokumentierten ihre Therapien. Auf Kongressen stellten sie ihre Ergebnisse und Promotionen vor.
Frauen-Heil-Kunde
Nicht von ungefähr waren Frauen früher bereit als Männer, naturheilkundliche Verfahren auszuprobieren und sogar einzufordern.
- Frauen sind anders krank als Männer
- Frauen haben einen Zyklus,
- Frauen werden schwanger,
- Frauen bekommen die Kinder.
Diese Tatsachen erklären, warum Frauen es gewohnt sind, in sich hineinzuhören und subtile Veränderungen ihres Befindens wahrzunehmen. Männer betrachten ihren Körper meist eher wie eine Maschine (pflegen dabei ihr Auto aber oft besser als ihren Körper), bei der man eine verrostete Schraube einfach nur ersetzen muss.
Frauen wissen mehr, dass ihr Körper auf seelische und emotionale Einflüsse reagiert, dass eine Krankheit nie nur den Körper betrifft, sondern auch die seelische und geistige Ebene.
Frauen sind auch heute noch mehrheitlich für die Aufzucht der Kinder zuständig. Sie lernen (hoffentlich!) bereits in der Schwangerschaft, aus Rücksicht auf ihr Baby, dass sie Alkohol meiden und gesunde Nahrungsmittel essen sollten.
Um bei Beschwerden von Säuglingen und Kindern selber helfen zu können, greifen sie zu bewährten Hausmitteln und Rezepten alter Kräuterfrauen. Kein Wunder also, dass sie auch für sich selber gerne „natürliche“ Heilmethoden einsetzen.
Frauen sind stärker belastet als Männer
In den letzten Jahrzehnten haben sich Frauen viele neue Lebensbereiche erschlossen, ohne jedoch ihre alten verlassen zu können. Schwangerschaft und Stillzeit „laugen“ sie aus. Die Zahl der berufstätigen Mütter und der Alleinerziehenden hat zugenommen. Neben der Versorgung der heranwachsenden Kinder liegt oft auch noch die Pflege von Angehörigen auf ihren Schultern. Dies führt dazu, dass Frauen übermäßig stark belastet sind.
Chronische Erkrankungen und Beschwerden, wie etwa Rückenschmerzen, Burn-Out, Kopfschmerzen, Schlafstörungen sowie „neue“ Krankheiten, wie Hashimoto-Thyreoiditis, treten verstärkt auf. Trotz moderner medikamentöser Therapie finden diese Patientinnen keine Heilung, sondern müssen nach Alternativen suchen.
Schließlich leiden viele Frauen an frauenspezifischen Erkrankungen, deren Symptome sich zwar im Akutfall meist rasch durch chemische Medikamente lindern lassen, die aber immer wiederkehren: Scheidenentzündungen, Blasenentzündungen, Zyklusstörungen und Dysmenorrhö, PMS, Endometriose, Myome, Schwangerschafts-assoziierte Erkrankungen, Brustkrebs.
Frauen suchen nach alternativen Therapien
Die Internetforen für diese Erkrankungen sind viel besucht. Verzweifelte Frauen suchen nach Alternativen zu den Pillen und Angeboten, die ihnen unter Zeitdruck stehende und überforderte Schulmediziner machen. Kein Wunder also, dass diese leidenden Frauen sich selber Wissen aneignen und Kompetenzen erwerben, die sie zur Gesundheitsmanagerin für sich selbst und ihre Angehörigen machen.
Komplementärmedizin
In diesem Rahmen soll nicht darüber diskutiert werden, ob wir nun von einer Alternativmedizin, Integrativen Medizin oder Komplementärmedizin sprechen sollten. Nach meinen Erfahrungen hängt es vom Krankheitsbild ab, ob wir naturheilkundliche Methoden (im weitesten Sinn, also auch die TCM, die Homöopathie und energetische Methoden) zusätzlich zu einer schulmedizinischen Behandlung einsetzen oder anstelle dieser.
So werden wir in der Krebstherapie überwiegend komplementär arbeiten, bei Zyklusstörungen aber auch durchaus alternativ. Ist die Zyklusstörung sauber abgeklärt, inklusive des aktuellen hormonellen Status, so kann ausschließlich zum Beispiel Phytotherapie oder Homöopathie helfen.
Einige Bereiche der Komplementärmedizin sind eigentlich Schulmedizin, nur von der Schulmedizin noch nicht richtig entdeckt und integriert: der gesamte Bereich der Ernährungsmedizin, der Nahrungsergänzungen, der orthomolekularen Therapie, die Einbeziehung des Darms und seines Mikrobioms als immunologisches und endokrines Organ, die Hyperthermie sowie zahlreiche andere medizinische Gebiete.
Beispiel: Komplementärmedizin bei Brustkrebs
Frauen mit Brustkrebserkrankung sind besonders gut organisiert und hinterfragen häufig die herkömmlichen Therapien. Die NATUM hat deshalb in Kooperation mit der Universitätsfrauenklinik Essen ein „Curriculum Ganzheitliche Gynäkologische Onkologie“ entwickelt, das Frauenärzte in der Klinik und in der Praxis befähigen soll, komplementäre Therapien zu bewerten und den Patientinnen zusätzlich zur Schulmedizin zur Verfügung zu stellen. Denn inzwischen ist deutlich geworden, dass Brustkrebs eine Erkrankung der ganzen Frau ist, der nicht alleine mit einer Brustentfernung beizu-kommen ist. Psychische Faktoren, Umwelteinflüsse und das Immunsystem müssen mitberücksichtigt werden.
Universitäts-Frauenkliniken und Komplementärmedizin bei Brustkrebs
An der Universität steht man nach wie vor komplementärmedizinischen Methoden sehr zurückhaltend gegenüber.
Fragebogenaktion zu Brustkrebs
Vor einem Jahr schickte ich an alle 36 Universitäts-Frauenkliniken Deutschlands einen Fragebogen, in dem 16 verschiedene ganzheitliche Therapieverfahren (von Ernährung über Mistel bis Hyperthermie) aufgelistet waren und in denen angekreuzt werden sollte, wie häufig (regelmäßig, selten, nie) diese Verfahren in der gynäkologischen Onkologie eingesetzt würden.
Ergebnisse der Fragebogenaktion zu Brustkrebs
Nur 10 Uni-Frauenkliniken antworteten, die übrigen wurden zurückgerufen und gaben an, keine komplementären Methoden einzusetzen. Am häufigsten wurde die Psychoonkologie genannt, in fünf Kliniken gab es Ernährungsberatung, sechs Kliniken setzten bestimmte Nahrungsergänzungen ein, davon zwei Selen und Vitamin D nach Laborbestimmung. Die Enzymtherapie wurde gelegentlich in zwei Kliniken verabreicht, die Mistel in zwei Kliniken nur auf Wunsch der Patientin.
Besonderheiten der Universitätskliniken Berlin und Freiburg
Besonderheiten stellen die Unikliniken in Berlin und Freiburg dar: in Freiburg gibt es seit vielen Jahren die Ambulanz für Umweltmedizin und Naturheilkunde am Institut für Umweltmedizin und Krankenhaushygiene, in Berlin das Immanuel Krankenhaus mit Stiftungslehrstuhl Naturheilkunde und einer Ambulanz in der Charité. Patientinnen der Frauenkliniken können diese Ambulanzen auf Wunsch aufsuchen, die Therapie muss größtenteils selber finanziert werden.
Umweltmedizin
Vor 20 Jahren gab es einige Frauenärzte, die eine Weiterbildung in Umweltmedizin absolvierten. Seit einigen Jahren besteht in Deutschland kein Interesse mehr. Es hat sich herumgesprochen, dass eine Umweltsprechstunde zeitlich sehr aufwendig und kostspielig ist und nicht mit Kassenleistungen abgedeckt werden kann. Heute ist die Umweltmedizin meistens in der Hygiene oder in der Arbeitsmedizin angesiedelt. Einige wenige engagierte Ärzte kümmern sich in ihren Praxen (Allgemeinmedizin, Dermatologie, Innere Medizin usw.) um Patientinnen mit Erkrankungen, die durch Umweltbelastungen mitbedingt sind.
Gerade in der Frauenheilkunde ist die Bedeutung von Umwelteinflüssen auf die Gesundheit der Frau eminent. Es ist bekannt, dass Frauen viele Umweltgifte schlechter metabolisieren können als Männer. Zu wenig wird berücksichtigt, dass Grenzwerte für potentiell giftige Substanzen in Vielstoffgemischen sinnlos sind. Durch die zentralnervösen Auswirkungen einiger Umweltgifte werden die Patientinnen als psychisch auffällig fehlklassifiziert und falsch therapiert.
Beispiele für Schadstoffbelastungen und Frauengesundheit
- Amalgam führt bei Frauen zu Zyklusstörungen und Prolaktinerhöhung
- durch Industriechemikalien können wiederholte Fehlgeburten auftreten
- Pestizide und Schwermetalle können Missbildungen hervorrufen
- hormonaktive Substanzen in der Nahrung und im Wasser können mitverantwortlich sein für
- Zyklusstörungen,
- Genitalmissbildungen,
- vorzeitige Menarche,
- vorzeitige Ovarialinsuffizienz,
- hormonabhängige Tumoren der Brust und der Gebärmutter.
Neben der chemischen Umweltverschmutzung ist heute noch gar nicht absehbar, wie sich die physikalische Umweltverschmutzung (Elektrosmog im weitesten Sinn) auf die Gesundheit der Frauen und ihrer Nachkommen auswirken wird.
Regenerative Mitochondrienmedizin
Da es meist nicht möglich ist, eine einzelne Substanz als Auslöser für eine umweltbedingte Erkrankung zu definieren, ist es sinnvoll, von dem naturheilkundlichen Modell der „Entgiftung“ auszugehen und dieses auf wissenschaftliche Füße zu stellen. Das tut heute die „Regenerative Mitochondrienmedizin“. Chelatbildner und orthomolekulare Substanzen werden verabreicht, der Darm wird saniert, Störfelder werden gesucht, Blockaden gelöst usw.
Status quo: Komplementärmedizin und Umweltmedizin heute
Ähnlich wie in den Kliniken hat auch in den Frauenarztpraxen viel Spezialisierung stattgefunden. Ultraschall, Cytologie, Psychotherapie, aber auch Akupunktur werden angeboten. Da die meisten Methoden der Komplementärmedizin keine Kassenleistungen sind, können sie sich nur die finanziell besser gestellten Patientinnen leisten. Für den Frauenarzt fehlt der Anreiz, sich in Komplementärmedizin weiterzubilden, so lange er sie nicht gewinnbringend in einer Kassenarztpraxis einbringen kann. Und ohne sich damit eingehend beschäftigt zu haben, fehlt vielen die Überzeugung von der Wirksamkeit.
Hier sind es die Frauen, die aus der Not eine Tugend machen: Allgemeinärztinnen und Frauenärztinnen bieten in ihren Privatpraxen ausschließlich Komplementärmedizin an, eine perfekte Lösung, auch um Familie und Beruf in Einklang zu bringen. Sie bieten Seminare und Ausbildungen für Patientinnen an, die damit autark werden, ihre Selbstheilungskräfte aktivieren lernen und sich zu Gesundheitsmanagerinnen der Familie entwickeln.
Bedauernswert ist, dass es eine Klinische Umweltmedizin praktisch nicht mehr gibt. Gerade durch die Berücksichtigung schädigender Umwelteinflüsse auf den weiblichen Organismus könnten viele chronische Erkrankungen verhütet werden. Unsere Kenntnisse über die Bedeutung genetischer und epigenetischer Effekte für die Entwicklung der nächsten Generation fordern dringenden Handlungsbedarf.
Wünsche an eine Ganzheitsmedizin
Zusammenfassend soll hier noch kurz skizziert werden, welche Wünsche an die medizinische Versorgung von den Betroffenen vorrangig geäußert werden.
Was Frauen wollen
- ursachenorientiert und nicht nur symptomorientiert behandelt werden
- Eigenkompetenz für ihre Gesundheit übernehmen und auf Augenhöhe mit ihrem Arzt kommunizieren
- mitentscheiden, wenn es um die Behandlung ihrer Leiden geht
- ein Netzwerk von Therapeuten, die sich respektieren und die verschiedene Heilmethoden anbieten, um jeder Frau in ihrer Eigenart gerecht zu werden
- „natürliche“ Methoden, die die Selbstheilungskräfte aktivieren
- und die kaum Nebenwirkungen haben.
Was Frauenärzte sich wünschen
- mehr Zeit für ihre Patientinnen und weniger Apparatemedizin
- Zeit zum Erlernen einer komplementärmedizinischen Methode
- Kostenerstattung komplementärer Methoden, sodass sie auch Patientinnen der Gesetzlichen Krankenkassen zur Verfügung gestellt werden können
- Kompetenzzentren für Komplementärmedizin und Klinische Umweltmedizin
Hoffnungsvolle Ansätze der Kooperation zwischen Schulmedizin und Komplementärmedizin in der Frauenheilkunde:
- Akupunktur zur Verbesserung der Ergebnisse bei der In-vitro-Fertilisierung
- Phytotherapie und Homöopathie zur Reduktion der Nebenwirkungen einer Chemotherapie
- Akupunktur in der Schwangerschaft
- Enzyme bei Endometriose u. a.
Ausblick – Wie könnte die Zukunft aussehen?
Der Kostendruck in unserem Gesundheitssystem wird immer stärker, sodass ein Umdenken von „Reparatur“ hin zu „Vorsorge“ dringend nötig ist. Gerade Frauen haben eine hohe Bereitschaft, in ihre Gesundheit zu investieren. Es fehlen ihnen nur die professionellen Ansprechpartner. Hier ist die Politik gefragt.
Politische Forderungen
- Bundes- und Landesmittel müssen zur Erforschung komplementärer Heilmethoden bereitgestellt werden
- Es müssen eigenständige Einrichtungen zur Umsetzung ganzheitlicher Therapien in Praxis und Klinik gefördert werden
- Die Klinische Umweltmedizin muss aufgewertet und eine adäquate Kostenerstattung gewährleistet sein
- Die Vorsorgemedizin muss aufgewertet werden, damit bei der Reparaturmedizin Kosten eingespart werden können
Zeitschrift „Die Naturheilkunde“
Dieser Artikel wurde für die Zeitschrift „Die Naturheilkunde“ (Forum Medizin Verlagsgesellschaft mbH) verfasst und erschien in leicht abgewandelter Form in der Ausgabe 3/2014.
Weitere für Frauen wichtige Themen darin beschäftigen sich bspw. mit
- Pflanzenextrakten bei Wechseljahresbeschwerden
- Phytobiotika am Beispiel der Blasenentzündung
- Therapeutische Optionen zur Verbesserung der Samenqualität
- Ursachen und Therapien der Endometriose
- Nahrungsergänzungen bei Wechseljahresbeschwerden
- Selbstheilung von Tumoren
- Und Vieles mehr
Das Magazin liegt im Abo bei 36,00 Euro im Jahr (sechs Ausgaben, bei Abschluss gibt es die zwei letzten Ausgaben zusätzlich). Sie können die Zeitschrift auch hier bestellen: sekretariat@forum-medizin.de.
Haben Sie weitere Anregungen, wie wir die Komplementärmedizin in der Frauenheilkunde fördern können? Dann schreiben Sie doch einen Kommentar.
Sehr geehrte Frau Prof. Gerhard,
schon seit Jahren verfolge ich mit großem Interesse Ihre engagierten Berichte und aktuellen Themenartikel und freue mich über die sachliche, dem Neuen stets kritisch aufgeschlossen begegnende Haltung.
Völlig zu Recht mahnen Sie heute die in der Bundesrepublik stagnierende Situation der medizinischen Behandlung an. Im Vergleich zu den USA, wo teilweise wohl zu viel zu früh veröffentlicht und kommerziell genutzt wird, kann man den Eindruck gewinnen, dass in Deutschland wichtige Erkenntnisse der Forschung häufig in der Schublade verschwinden. In der Tat sind Frauen, Männer und Kinder mehr denn je auf präventive, verträgliche und eigenständig durchzuführende Therapien angewiesen, damit sie sich rasch und nachhaltig helfen können.
Ihre Wunschliste kann ich als Mutter und interessierter Laie nur unterstützen.
Herzlichen Dank für Ihren großzügigen Einsatz!
Liebe Heide,
vielen Dank für Ihre lobenden und ermunternden Worte, die ich sehr zu schätzen weiß! Herzliche Grüße