Neuer Urintest ermittelt, ob „schlafende“ E. coli und Keime aus der Scheide in der Blase sind


Frau-mit-Blasenentzündung ©ruigsantos-Fotolia

Viele Frauen leiden immer wieder an einer Blasenentzündung. Wissenschaftler haben nach aktuellen Erkenntnissen einen unerwarteten Auslöser entdeckt: Ein Keim aus der Scheide greift die oberste Schicht der Blasenwand an und setzt dort „schlafende“ E. coli-Bakterien frei, die sich daraufhin vermehren und eine erneute Blasenentzündung auslösen können.

Das Bakterium Escherichia coli – kurz E. coli – ist ein natürlicher Bewohner unseres Darms. Dort gehört es zu den wichtigen Bestandteilen der Darmflora, denn es trainiert das Immunsystem. Gelangt E. coli aber über die Harnröhre in die Blase, kann es dort die Blasenwand entzünden. Das geht mit unangenehmen Symptomen einher, wie übermäßigem Harndrang und Schmerzen beim Wasserlassen.

Escherichia coli ©pixabay

Da bei Frauen die Harnröhre deutlich kürzer ist als beim Mann und eine räumliche Nähe zum Darmausgang besteht, sind vorwiegend Frauen von wiederkehrenden Blasenentzündungen betroffen. Bei etwa 80 Prozent der Blasenentzündungen ist E. coli der Auslöser. Andere Erreger sind Enterokokken, Proteus und Staphylokokken

Während einer akuten Blasenentzündung ist E. coli in der Lage, sich in die obersten Zellschichten der Blasenwand einzunisten. Dort entsteht ein Reservoir aus inaktiven Bakterien, die sich nicht vermehren, aber länger überdauern können. Besonders fatal: Antibiotika bekämpfen nur die Bakterien, die frei in der Blase vorhanden sind. Die eingenisteten, „schlafenden“ E. coli sind dagegen vor den Antibiotika geschützt – und auch vor der Immunabwehr.

Keim aus der Scheide aktiviert „schlafende“ Bakterien

Viele Frauen tragen den Keim Gardnerella vaginalis in ihrer Scheide. Es ist ein Bakterium, das sich bei einer Scheideninfektion – einer Bakteriellen Vaginose – übermäßig vermehren kann. Dabei sitzt Gardnerella vaginalis in der Scheide gerne in einem Biofilm – einer Schleimschicht, in der verschiedene Mikroorganismen eingebettet sind und den sie selbst bilden. Der Biofilm schützt die Bakterien ebenfalls vor Antibiotika und dem Immunsystem.

Gardnerella vaginalis ist nach den neuen Erkenntnissen aber indirekt auch für Blasenentzündungen verantwortlich. Denn: Gelangt das Bakterium – zum Beispiel durch Geschlechtsverkehr – in die Blase, zerstört es dort die obersten Zellen der Blasenwand und setzt so die inaktiven E. coli-Bakterien frei. Die werden nach einiger Zeit wieder aktiv, vermehren sich, und die Blasenentzündung flammt erneut auf.

Wiederkehrender Zyklus von Blasenentzündungen ©MVZ Institut für Mikroökologie

Neuer Test weist Auslöser der Blasenentzündung nach

Der neue CystitisCheck des MVZ Institut für Mikroökologie in Herborn weist als erster Urintest nicht nur die aktiven, sondern auch die inaktiven E. coli und zusätzlich den Keim Gardnerella vaginalis nach. Da auch andere Keime eine Blasenentzündung auslösen können, schaut der Test obendrein nach weiteren Bakterien wie Enterokokken und Staphylokokken. Enterokokken sind ebenfalls natürliche Darmbewohner, während Staphylokokken auf unserer Haut weit verbreitet sind.

Da die eingenisteten E. coli-Bakterien sowohl vor Antibiotika als auch dem Immunsystem geschützt sind, ist es das Ziel einer nachhaltigen Therapie, den Keim Gardnerella vaginalis zu beseitigen. Ist der Nachweis für Gardnerella im Urin positiv, ist ein Abstrich aus der Scheide sinnvoll. Denn in der Regel stammt der Keim ursprünglich von dort. Um den Keim in der Scheide zu bekämpfen, kann über ein Antibiogramm ein wirksames Antibiotikum oder über ein Aromatogramm ein wirksames ätherisches Öl ermittelt werden. Mit dem Öl werden dann Scheidenzäpfchen hergestellt.

Aromatogramm / Antibiogramm

Eine Petrischale mit Blut-Agar. Die weißen Plättchen darauf enthalten entweder verschiedene ätherische Öle oder unterschiedliche Antibiotika. Hat sich um das Plättchen ein Hof gebildet, wie hier um das obere Plättchen, heißt das: Hier kann der ausgestrichene Erreger nicht wachsen, das Öl oder das Antibiotikum wirkt also gegen den Erreger.

Vorbeugung ist besser

Natürlich ist es besser, wenn es gar nicht erst zu einer Blasenentzündung kommt. Scheidenzäpfchen oder Nahrungsergänzungsmittel mit – insbesondere Wasserstoffperoxid-bildenden – Milchsäurebakterien beeinflussen das Scheidenmilieu positiv. Leben vorwiegend Milchsäurebakterien (Laktobazillen) in der Scheide, ist die Scheidenflora gesund. Dann leiden die Frauen auch viel seltener an Blasenentzündungen.

Partner mit behandeln

Prophylaxe nach der Liebe ©Kei 907 Fotolia

Auch Männer können den Keim Gardnerella vaginalis in sich tragen. Dann kann zum Beispiel der Penis entzündet sein, jucken oder brennen. Oft zeigen sich allerdings keine Symptome, der Mann kann aber seine Partnerin beim Geschlechtsverkehr immer wieder mit dem Keim anstecken. Will die Frau Gardnerella vaginalis erfolgreich bekämpfen, sollte der Partner deshalb seine Spermienflüssigkeit untersuchen lassen – zum Beispiel über den UrogenitalStatus des MVZ Institut für Mikroökologie – und sich bei positivem Ergebnis ebenfalls einer Behandlung unterziehen.

Über die Autorin

Angelika Hecht hat in Marburg Biologie mit dem Schwerpunkt Ökologie studiert und Mikrobiologie als Nebenfach belegt. Danach absolvierte sie eine Ausbildung als Kauffrau im Einzelhandel und war anschließend wenige Jahre im pharmazeutischen Außendienst tätig. Seit 2013 arbeitet sie im Bereich Public Relations auch für das MVZ Institut für Mikroökologie in Herborn.

Kontakt

Angelika Hecht
Am Sonnenblick 10
35745 Herborn
E-Mail: Angelika.Hecht@mikrooek.de
www.mikrooek.de

Kommentar der Redaktion

Wie ein roter Faden ziehen sich die Blasenentzündungen in den letzten 10 Jahren seit Bestehen dieses Webmagazins durch die Artikel und viele, viele Anfragen von betroffenen Leserinnen. Heute habe ich zum ersten Mal das Gefühl, dass wir bei der Diagnostik und der wissenschaftlich fundierten Therapie einen Riesenschritt weitergekommen sind.

Im ersten Artikel zum Blasenthema 2010 „Immer wieder Blasenentzündung muss nicht sein“ habe ich zusammengefasst, was wir damals wussten, und viele Vorschläge gemacht, die nach wie vor aktuell sind, wie frau sich vor wiederkehrenden Blaseninfektionen schützen kann.

2011 bestätigte die praktische Ärztin für Homöopathie und Psychotherapie, Frau Dr. Tille, in ihrem Artikel „Die chronische Harnwegsinfektion bei Frauen – eine diagnostische und therapeutische Herausforderung“, wie man tatsächlich verschiedene Heilverfahren kombinieren kann, um erneute Blasenentzündungen zu verhindern.

Bereits Ende des vergangenen Jahrtausends hatte ich in der Ambulanz für Naturheilkunde in Heidelberg Erfahrungen damit gesammelt, wie durch eine Umstellung der Ernährung und Behandlung des Darms auch Blasen- und Scheidenschleimhaut regeneriert werden können. Eines dieser phantastischen Lebensmittel, das bei vielen chronischen Erkrankungen und Befindlichkeitsstörungen hilft, ist „Kanne Bio Brottrunk®, ein Lebensmittel, das es in sich hat„. In einem ausführlichen Artikel stellte ich Ihnen Kanne Bio Brottrunk® 2012 vor.

Im selben Jahr 2012 erschien mein Buch „Die neue Pflanzenheilkunde für Frauen“ mit vielen Tipps zu Pflanzenheilmitteln, pflanzlichen Antibiotika und Phytopharmaka, die sich u.a. auch bei wiederkehrenden Blasenbeschwerden bewährt haben.  Meine ärztliche Kollegin und Wissenschaftlerin, Prof.Dr. Chrubasik, stellte Ihnen 2013 ihre Forschungsergebnisse zur Preiselbeere vor. Es lohnt sich, sich den Artikel genauer anzusehen, damit Sie nicht einen beliebigen Preiselbeersaft kaufen und enttäuscht sind, dass er nicht wirkt. Denn nur wenn die wirksamen Inhaltsstoffe in genügend hoher Konzentration vorliegen, können Extrakte aus der Preiselbeere bei Harnwegsinfekten helfen.

2014 stellte ich Ihnen anthroposophische Heilmittel vor in dem Artikel „Pflanzenkraft von WALA gegen Blasenentzündung und Reizblase„. Sie sind auch heute noch nicht aus der Therapie der Blasenentzündungen wegzudenken.

Frau Dr. Giese ist eine ganzheitlich arbeitende  Frauenärztin, die schon 2014 hinwies auf „Hilfe: Teufelskreis Blasenentzündung und Scheidenentzündung„.  Sie fand durch ihre kinesiologische Arbeit Zusammenhänge und sinnvolle neue Therapiewege, um den Teufelskreis zu durchbrechen.

Die Beschäftigung mit der wiederkehrenden Blasenentzündung und anderen in der Frauenheilkunde schwer therapierbaren Erkrankungen war für mich 2014 Anlass für eine Bestandsaufnahme, die die Ärzte motivieren sollte, sich intensiver mit den Chancen der Naturheilkunde zu beschäftigen „Naturheilkunde für Frauen, eine subjektive Bestandsaufnahme„. Immerhin mehrten sich im Laufe der Jahre die Stimmen, die vor zu schnellem Antibiotika-Einsatz bei Blasenentzündungen warnten. Angelika Hecht, die Autorin des vorliegenden Artikels, stellte 2017 die Frage „Antibiotika bei Blasenentzündungen, muss das sein?“ Und wenn Sie ihren heutigen Artikel „Endlich Ursache für wiederkehrende Blasenentzündungen finden“ gelesen haben, dann können Sie sich selber diese Frage klar beantworten.

Wenn Sie weitere Ideen und Tipps haben, wie sich frau vor wiederkehrenden Blasenentzündungen schützen kann, dann schreiben Sie doch einen Kommentar.

Und wenn Sie Probleme haben, einen Arzt/Ärztin zu finden, der/die bei Ihnen den CystitisCheck oder ein Aromatogramm macht, dann verweisen Sie doch auf meine Workshops im Mai und Oktober 2019, in denen Ärzte und Therapeuten naturwissenschaftlich fundiert „Naturheilkunde zur Frauengesundheit“ lernen können.

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