Vergewaltigung im Bus in Indien, Übergriffe katholischer Priester auf Kinder, sexueller Missbrauch in Behindertenheimen, der Fall Fritzel, wo ein Vater seine Tochter jahrelang als Gefangene hielt und mehrfach schwängerte, das Buch der Tochter Kinski, die erst mit 60 Jahren ihr Schweigen bricht: Wir lesen all das voller Zorn und Hilflosigkeit und Fragen über Fragen tauchen auf: Wieso lesen wir immer häufiger von solchen Vorfällen, was sind die Hintergründe, was geschieht bei solchen Verletzungen der persönlichen Grenze, welche seelischen Wunden und Narben hinterlassen sie, wie kann man den Betroffen, mehrheitlich Frauen, effektiv helfen, damit sie nicht, wie Frau Kinski schreibt: “lebenslänglich” haben?
Sexueller Missbrauch als Kulturphänomen
Erst seit wenigen Jahrzehnten hat sich das Rollenbild der Frau soweit verändert, dass ihr Anspruch, über den eigenen Körper verfügen zu können, in der westlichen Welt kaum mehr bestritten wird. Sexuelle Übergriffe bis hin zu frühem schwerem und wiederholtem Missbrauch waren über Jahrhunderte weit verbreitet und für sehr viele leidvolle Frauenbiografien verantwortlich. Ebenso galten körperliche Züchtigung und Misshandlung als probate Machtmittel.
In vielen Kulturen gehörte Frauenraub und gehören heute noch arrangierte Ehen mit ungeliebten Partnern zum Ritual der Eheschließung. Das macht Frauen zur Handelsware. Das Erdulden sexueller Übergriffe ist dabei nur ein Aspekt. Im Rahmen der Kriegsführung wurden und werden die Frauen der Besiegten regelmäßig vergewaltigt. Zur kulturell verankerten sexuellen Traumatisierung gehört auch das traurige Kapitel der Mädchenbeschneidung mit all ihren Folgen für die Gesundheit der betroffenen Frauen.
Symptome des akuten Traumas
Die sprachlose Mischung von
- Angst, oft Todesangst,
- Ohnmacht, Ausgeliefertsein,
- Scham und Wut,
- unendlicher Einsamkeit,
- die Not der quälenden Bilder, die sich tief einbrennen
- und in vielen Fällen auch der körperlichen Schmerzen
markieren das akute seelische Trauma generell, aber speziell auch das des sexuellen Missbrauchs.
Dissoziation
Aus der tiefen Hilflosigkeit eines überwältigenden Traumas kann sich als Ausweg die Dissoziation anbieten, die Trennung von Körper und Ich-Empfinden. Es handelt sich dabei quasi um ein aus dem Körper Heraustreten und Abstand nehmen. Das kann sich dann später auch bereits bei kleineren Belastungen wiederholen und mit psychosomatischen oder gar psychotischen Zustandsbildern in Erscheinung treten.
Der Titel „Das Unsagbare“ mit dem dazugehörigen Bild aus dem Buch „Atmosphären“ (Seite 112) spiegelt die schwierige Gefühlsmischung, die für das sexuelle Trauma und anderweitige Trauma-Erfahrungen zutrifft.
Gedicht: Das Unsagbare
Erstarrt auf dem Felsen die alte Wut.
Ohnmacht, geballt, versinkt in der Flut.
Den Schwur verbergend hebt sich die Hand,
gebleicht hängt der Himmel über dem Land.
Sich Klammern schneidet stählern ein
zwischen Sein und nicht mehr Sein.
Spiegelglatt der Horizont,
bleigegossen und doch besonnt:
Nirgends siehst du die Sonne stehn.
In Reflexen und Schatten ist sie zu sehn.
Ein Anfang? ein Weg? ein Neubeginn?
zur sonnigen Seite? zum tieferen Sinn?
Kulturwandel und Tabubruch
Erst seit der modernen Frau in westlich geprägten Kulturen eine eigenständige gesellschaftliche Rolle und damit auch eine aktiv gelebte Sexualität zugestanden wird, ist das stumme namenlose Leid so vieler Frauen zum Thema geworden. Das uralte Tabu wurde gebrochen, das weibliche Sexualität mit Unreinheit gleichsetzt.
Erst in neuerer Zeit wurden in westlichen Ländern sexuelle Übergriffe und häusliche Gewalt an Frauen zum Strafbestand. Sexueller Missbrauch wurde zum Forschungsthema. Spezifische Therapieansätze konnten entwickelt und überprüft werden.
Allerdings gibt es an den Grenzen dieser neuen Freiheit neue Tabus, die ebenfalls sexuellen Missbrauch und stummes Leid bedeuten:
- die sexuellen Übergriffe männlicher Jugendlicher auf sehr junge Mädchen, die oft aus Gruppendruck mitmachen. Die Mädchen fühlen sich deswegen schuldig und entwickeln Trauma-Folgestörungen.
- das Dunkelfeld der Kinderpornografie und
- generell sexueller Missbrauch ungeschützter Kinder, nicht selten durch Angehörige.
Langzeitfolgen sexueller Traumatisierung
Ein einmaliges, sogenanntes einfaches Trauma kann spontan ausheilen, besonders, wenn es reife erwachsene Menschen trifft, die über genügend Widerstandskraft (Resilienz) verfügen. Bis zu zwei Drittel wird hier die Heilungsrate aufgrund verschiedener Studien eingeschätzt.
Posttraumatische Belastungsstörung
Trauma Folgestörungen im Sinne der posttraumatischen Belastung (PTSD) zeigen sich gemäß der strengen Definition durch Nachhallbilder (Flashbacks) und durch hohe emotionale Belastung, die innerhalb von sechs Monaten auftreten.
Komplexe Störungsbilder
Je früher, je schwerer und je häufiger Trauma-Erfahrungen von einem Menschen erlitten werden, desto wahrscheinlicher sind schwerwiegende komplexe Langzeitfolgen. Hierzu zählen Selbsthass, Selbstentwertung, dissoziative Störungen und die ganze Palette der psychiatrischen Erkrankungen: Ängste, Zwänge, Depressionen. Substanzmissbrauch und Essstörungen bis hin zu Borderline-Persönlichkeitsstörungen und Psychosen. Es sind komplexe Störungsbilder, die mit einer einfachen Definition, wie die des PTSD, nicht zu umreißen sind .
Verborgenes Leid
In welchem Ausmaß sexuelle Störungen Frauen mit solchen Biografien dauerhaft beeinträchtigen, die ansonsten keine manifesten Trauma-Folgen aufweisen, ist nur zu vermuten, weil dieser intimste Bereich besonders schambesetzt ist. Aus meiner langjährigen Erfahrung als ärztlich-psychiatrische Psychotherapeutin weiß ich, wie viel verborgenes Leid aus diesen Quellen die sexuelle Erlebnisfähigkeit, das Selbstwertgefühl und die Partnerbeziehungen belastet. Das führt zu Dauerstress, Vermeidung oder Selbstverleugnung und häufig dann zu Stressfolgestörungen und psychosomatischen Symptomen.
Häufigkeit
Statistiken über solch heikle Forschungsgebiete wie das der sexuellen Traumatisierung liefern nur Annäherungswerte. Es besteht naturgemäß eine hohe Dunkelziffer, die Definitionen von Übergriff und Trauma zeigen breite Variationen, und die untersuchten Stichproben sowie die Methoden sind sehr verschieden. Immerhin geben sie einen Eindruck von der Spitze des Eisbergs.
Verschiedene Untersuchungen haben Hinweise darauf gefunden, dass bei schweren psychischen Störungen von Frauen – ob Sucht, Psychosen, Persönlichkeitsstörungen oder Essstörungen – gut 40 % in ihrer Biografie traumatischen sexuellen Missbrauch aufweisen. Dagegen geben Frauen in repräsentativen Stichproben, die der Normalbevölkerung entsprechen, in 3% bis 11 % sexuellen Missbrauch an.
Die Rolle der Sexualität in der Entwicklung der Psychotherapie
Ganz am Anfang der Psychotherapie stand das Buch „Studien über Hysterie„, das Josef Breuer und Sigmund Freud 1895 veröffentlichten.
Hysterie
Hysterie im damaligen Verständnis war eine breite Palette von funktionellen, d.h. medizinisch unklaren, Lähmungen und Krampferscheinungen des gesamten Körpers, oft mit Bewusstseinsverlust, die in erster Linie bei Frauen auftrat. Heute würde man derartige Erscheinungen der dissoziativen Störung zuordnen. Diese Symptome führten Josef Breuer und Sigmund Freud zur Erkenntnis, dass sich seelische Belastungen in symbolischen körperlichen Funktionsstörungen ausdrücken können und dass Heilung möglich wird, wenn sich in einer „Redekur“ ein verbaler Ausdruck finden lässt.
Professor Charcot in Paris hatte entdeckt, dass Hypnose auch schwere Fälle zu heilen vermochte. Breuer erprobte das am Fall der Anna O.
Freud, sein Schüler, übernahm das entspannte Liegen auf der Couch, das in seiner Methode jedoch ohne Hypnose die freie Assoziation der Analysanden ermöglichen sollte. Eugen Bleuler war der erste etablierte Professor und Klinikdirektor, der Freuds neue Methode in seiner Klinik einführte und hierzu seinen Oberarzt, Carl Gustav Jung, bei Freud ausbilden liess.
Anna O
Während Freud und Breuer bei Anna O unbewusste sexuelle Wünsche im Sinne des „ödipalen Konflikts“ als Ursache vermuteten, ist seither die Diskussion eröffnet worden, ob Anna O nicht eher realen sexuellen Übergriffen durch den Vater ausgesetzt war. In jedem Fall bestand eine sehr enge Bindung an ihn, und möglicherweise war sie in einem fatalen Geheimnis gefangen. Der verzweifelte Versuch, es auszublenden, würde viele der extremen dissoziativen Erscheinungsbilder in ihrer sehr genau dokumentierten Krankengeschichte, den Therapieverlauf und Aspekte ihrer späteren Biografie erklären. Unter ihrem tatsächlichen Namen, Bertha Pappenheim, wurde sie als Schriftstellerin und erste jüdische Feministin bekannt. Sie gründete den jüdischen Frauenbund, übte Kritik am jüdischen Patriarchat und blieb zeitlebens ohne heterosexuelle Partnerschaft.
Freud und die Triebtheorie
In der damaligen Doppelmoral, die alles Sexuelle tabuisierte, war es bereits ein ungeheuer mutiger Schritt von Freud, die Sexualität überhaupt in die Diskussion zu bringen. Er löste damit einen Sturm der Entrüstung aus. Freud war auf der richtigen Spur. Aber als kultiviertem jüdischem Mann lag ihm wohl ein Generalverdacht gegen Väter bzw. männliche Angehörige solcher Patientinnen eher fern. Solch kühne Behauptung wäre wohl auch in einem Orkan gesellschaftlicher Entrüstung untergegangen.
Wie dem auch immer gewesen sein mag, Freud fasste vielmehr die kindliche Sexualität mit dem Bereich früher sexueller Fantasien ins Auge, was zur Entwicklung seiner Triebtheorie und der klassischen psychoanalytischen Methode führte. Diese brachte der Entwicklung der Psychotherapie zwar generell viel Erkenntnisgewinn, aber für wirkliche Opfer sexueller Traumatisierung mit Langzeitfolgen war die Methode häufig zu belastend.
Psychoanalyse als mögliche Falle für Traumaopfer
Es zeigte sich, dass der klassische, sehr auf die Worte, das Denken und die Übertragung ausgerichtete psychoanalytische Weg mit einem überwiegend schweigenden Therapeuten und sparsamen Deutungen speziell bei Trauma-Opfern zu Angstblockaden führte und das Graben in der Vergangenheit ohne genügende Stabilisierungsmethoden sogar neuerliche Traumatisierungen durch die alten Erinnerungn auslösen konnte.
Die Förderung der „therapeutischen Übertragung“ kann gerade für Trauma-Opfer eine Falle darstellen: Sie haben enorme Angst vor neuerlicher Traumatisierung und sind blockiert, wenn analoge Gefühle der Ohnmacht, existentieller Bedrohung eventuell gemischt mit hypnoider erotischer Faszination und enger Bindung im zwischenmenschlichen therapeutischen Kontext auftauchen. Sie weichen in kindliche Idealisierung aus, sofern sie die Therapie nicht vorzeitig abbrechen. Deswegen können sie als verführerisch missverstanden werden, sind daher am ehesten von sexuellem Missbrauch in der Psychotherapie betroffen, was ihr Trauma wiederholt.
Neuere Ansätze in der Trauma-Therapie
Um den Teufelskreis aus Ohnmacht, Angst, Vermeidung und Gefahr neuerlicher Traumatisierung zu durchbrechen, entwickelten sich sowohl aus der psychoanalytischen als auch aus verhaltenstherapeutischer Richtung immer spezifischere Trauma-Therapieansätze. Hinzu kamen kombinierte Verfahren wie EMDR (Eye Movement Desensitization and Reprocessing) nach Francine Shapiro und BEP (Brief Eclectic Psychoterapy) nach Berthold Gersons et. al., im deutschsprachigen Raum vertreten durch Ulrich Schnyder.
Gemeinsam ist allen, dass sie
- mit stabilisierenden Methoden zur Stressentlastung beginnen,
- bildhaften Ausdruck unterstützen und
- erst bei stabiler Belastbarkeit gezielte Methoden der Konfrontation mit dem Trauma und der aktiven Verbalisierung verwenden.
Konzept des „inneren Kindes“
Mein persönlicher Ansatz, Bilder, Poesie und Musik in die Therapie einzubeziehen, hat viel mit dem Konzept des „ inneren Kindes“ zu tun. Dieses innere Kind wird bei schweren Trauma-Erfahrungen in seinem Urvertrauen erschüttert, kann aber auch auf eine, diesem inneren Kind angemessene Art wieder heilen. Zu viel Gescheitheit und Vernunft schüchtert ein. Schweigen wird von Kindern leicht als kritisch und hemmend erlebt. Sie wollen gelobt und angeregt werden, um sich zu entfalten. Verletzte, verängstigte traumatisierte Kinder sind hier noch erheblich empfindlicher. Genau so geht es den „inneren Kindern“, die in uns Erwachsenen für unsere spontanen und kreativen Seiten zuständig sind.
Was die Arbeit mit dem „inneren Kind“ angeht, habe ich viel von Luise Reddemann gelernt, die ihre Methode, PITT (psychodynamische imaginative Trauma-Therapie) aus der Psychoanalyse heraus und mit Bezug auf das Konzept der Ich-Zustände von Paul Federn entwickelt hat. Auch sie verwendet innere Bilder, Symbolisierungen und eine breite Variation von Stabilisierungsmethoden. Ihr verdanke ich die Erkenntnis, welche Bedeutung geduldiger und ausreichender Stabilisierung, besonders bei komplexen und frühen Trauma-Erfahrungen, zukommt. Ihre Methode ist mit umfangreicher Literatur und mit Übungs-CDs dokumentiert.
Konfrontation
Je umrissener und klarer das Trauma ist, desto früher kann die Konfrontation damit erfolgen. Methoden hierfür, die sich aus dem psychoanalytischen Hintergrund entwickelt haben, sind sanfter, z. B. mit einer Fernbedienung, die einen „inneren Film“ anhalten kann. Verhaltenstherapeutische Ansätze sind direktiver, auf raschere Konfrontation ausgerichtet und in der Abfolge mit Manual festgelegt. Hier erfolgt die Konfrontation mit sehr detailllierter Schilderung des Traumas.
Allerdings wirft dieses Vorgehen die Frage auf, in welchem Ausmaß detailliertes Nacherzählen, oft auch mit Tonaufzeichung, die mit dem Trauma verbundenen Gefühle neu verstärkt und vor allem bei „komplexer“, d.h. mehrfacher oder lang anhaltender Traumatisierung eine Überforderung darstellt. Ziel der Konfrontation ist immer, die innere Spannung, die Vermeidung und den Teufelskreis abzubauen.
Integration verschiedener Methoden
Besonders hilfreich empfand ich persönlich für meine Arbeit mit Trauma-Patientinnen und -Patienten die Integration verschiedener Methoden im Konzept des EMDR nach Francine Shapiro, das aus der von ihr entdeckten Methode mit angeleiteten Augenbewegungen heraus entwickelt wurde. Dabei folgen die Patientinnen den sich regelmäßig hin und her bewegenden Fingern der Therapeutin, während sie still einer vorher gemeinsam bestimmten Gedankenrichtung nachgehen und die Bilder dazu vorbeiziehen lassen, bis die innere Anspannung zur Ruhe kommt.
Das Verfahren ist eingebettet in einen sehr genau definierten Rahmen zur Stabilisierung und zum Schutz vor Re-Traumatisierung durch neu belebte Trauma-Bilder, der eine sorgfältige Ausbildung erfordert. Im deutschsprachigen Raum haben sich Arne Hofmann und das EMDR-Institut Schweiz für die Verbreitung dieser Methode engagiert.
Eigenes Projekt
Mein eigenes Projekt mit Buch und zwei CDs „Atmosphären – Poesie als Psychotherapie“ ist nicht eigentlich Trauma-spezifisch. Es ist aus der Idee heraus entstanden, einen Leitfaden für alle meine Patientinnen und Patienten darüber zu verfassen, wo ich, neben allen Unterschieden, die Gemeinsamkeiten der vielen Psychotherapierichtungen sehe:
Es ist die gute therapeutische Atmosphäre für das „innere Kind“, die für mich immer etwas mit Poesie und kreativer Gestaltung zu tun hat. Dazu gehören bildhaftes Erleben und Anregung durch offene Verbalisierungsformen. Damit die Theorie auch mit praktischer Erlebnismöglichkeit verbunden ist, habe ich diese ersten 50 Seiten im Buch mit vier Kapiteln therapeutisch inspirierter Poesie ergänzt, die im Laufe vieler Jahre von mir verfasst wurden. Einige der Titel sind zu Ölbildern von mir entstanden, die ebenfalls im Buch abgebildet sind. Nach meiner Erfahrung können die Titel zur Stabilisierung oder sanften Anregung einer Konfrontation im Sinne therapeutischer Medien eingesetzt werden.
Um diesen Einsatz zu erleichtern, liegen sie auch auf zwei CDs vor, von mir gelesen zu Musik von George Kauntz. Zwei der vier Bild-Poesie Kapitel im Buch sind jeweils auf einer der beiden CDs enthalten. Ein Bildgedicht aus dem Buch, Seite 50, ist Schattenseiten, wo die Lokomotive im Bild für die Bewegung steht und die traurige Rose für die verletzte Integrität. Es spricht den Umgang mit belastenden Erinnerungen bzw. Nachhallbildern „Flashbacks“, an und zeigt zugleich die Möglichkeit, erstarrte, festgefrorene Bilder in Bewegung zu bringen und so aufzulösen.
Gedicht: Schattenseiten
Diese alten Traurigkeiten,
die sich ungefragt verbreiten,
wirbeln hoch aus alten Zeiten:
lichtverlorene Schattenseiten.
Lass sie wirbeln,
lass sie schweben,
gib sie der Bewegung frei,
neu verwoben mit dem Leben
sind sie Narben und vorbei.
Quellen
Die Autorin bezieht sich im Text auf ihr Buch “ Atmosphären – Poesie als Psychotherapie“ (2005) sowie zwei gelesene CDs dazu (2006 und 2010 mit gesprochener Poesie der Autorin begleitet durch Musik von George Kauntz). Der Abdruck von zwei Gedichten und Bildern aus dem Buch in diesem Artikel erfolgt mit freundlicher Genehmigung des Verlags Pueblo Editions. In diesem Webmagazin wurde im November 2012 ihr neustes Buch mit ihren Texten sowie Fotografien von Doro Röthlisberger, Visions of Heaven, Sky and Earth (2012), vorgestellt. Weitere Information: www.puebloeditions.com. Hier können Sie sich einen Flyer mit dem gesamten Angebot herunterladen.
Über die Autorin
Dr. Dagmar Zimmer-Hoefler lebt in der Nähe von Zürich und Graubünden. Sie ist Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie und arbeitet seit vielen Jahren in eigener Praxis mit Einzeltherapie, Paar-und Familientherapie, Gruppentherapie, therapeutischer und systemischer Supervision, Firmencoaching im Bereich „Human Ressources“ sowie in Fortbildungsveranstaltungen für Fachpersonen. In ihrer Praxis gibt sie verschiedenen gestalterischen Methoden Raum, die sie als Schrittmacher für innere Resonanzen in die Psychotherapie einbezieht. Seit 2004 setzt sie ihre Projekte in der Pueblo Editions und als Autorin ein.
http://www.dagmarzimmer-hoefler.ch
http://www.puebloeditions.com
Mussten Sie auch sexuellen Missbrauch erleiden? Wenn Sie Ihren Leidensgenossinnen einen Rat geben wollen, schreiben Sie doch einen Kommentar!
Lieb Frau Dr. Gerhard,
vielen Dank für Ihre einfühlsame Auseinandersetzung mit dem Thema. nach jahrelangem Verdrängen eines sexuellen Missbrauch, meiner ersten sexuellen Erfahrung dazu, kann ich mich endlich dem zuwenden und sehe erst jetzt wie sehr es meine Biographie geformt hat. I ch habe wurde als 13-jähriges Mädchen von einem Fremden vergewaltigt, meine Mutter hat mich damals beschimpft anstatt mich zu unterstützen. Ich habe die furchtbaren Gefühle danach nur ertragen können weil gefühlt irgendetwas von mir abgestorben ist. Als ob ich mich während der Tat und insbesondere auch danahch von mir selbst abgetrennt habe. Sonst wäre ich komplett zusammengebrochen. Aber weil es keinen Halt gab musst eich irgendwie funktionieren. Das habe ich Jahrelang einigermaßen hinbekommen, immer mit dem Gefühl ich muss das verbergen, das ist ein Schandfleck den ich nicht zeigen darf. Teilwese kamen flaschbacks, mit den Jahre weniger, trotzdem geht es mir innerlich nicht gut.
Ich bin seit Jahren immer wieder in psychotherepaeutischer Behandlung und trotzdem erst jetzt, 23 Jahre später, fähig mich dem Vorfall und den Resultat jetzt überhaupt zu widmen, mir selbst zuzugestehen dass das schlimm war und wie sehr es mein Leben immer noch beeinträchtigt. Die Unruhe, das innerliche Zittern, das nicht in mir-verankert fühlen, das Gefühl irgendwie keinen Boden zu haben, mich selbst nicht richtig spüren zu können, ein verspannter Beckenboden, Konzentrationsstörungen, Gedächtnislücken, Angst -langsam setzt sich viel wie Puzzlesteine zusammen. Trotz der Erkenntnis das das Überbleibsel des Vorfalles sind habe ich Schwierigkeiten mich zu fühlen, an meine Emotionen heran zu kommen das Geschehene zu bearbeiten.
Was können Sie mir da raten? Wenn sich Traumata so im Körper festsetzen bzw manifestieren dann muss man doch auch irgendwie über den Körper da wieder ran kommen, oder? Wäre Hypnose ein Weg? Ich bin über jeden Hinweis dankbar!
Herzliche Grüße
Liebe Charlotte,
Hypnose ist sicher ein Weg. Weitere tolle Therapien habe ich in meinem Buch von Spezialisten zusammenstellen lassen: Frauengesundheit, s. 149 folgende Ich habe schon sehr gute Rückmeldungen bekommen und bin sicher, dass Sie ganz frei von dieser schrecklichen Erfahrung werden können. Alles Liebe!
Hallo,
ich bin nun schon 55 Jahre alt und spüre gerade jetzt, in den Wechseljahren, dass die Erlebnisse mit meinem Opa wieder hochkommen und mich beeinträchtigen. Ich hatte den Missbrauch durch ihn lange vollkommen verdrängt, erst als er mich viele Jahre später, als ich selbst schon eine junge Mutter war, bat, ihm doch nochmal einen runterzuholen, und auf meine Abwehr hin meinte, „ach, als kleines Mädchen hast du dich nicht so geziert..“ und „du hast mich damals verführt..“, da kam einiges wieder hoch.
Ich hatte über Jahrzehnte fast wahllose sexuelle Kontakte, aber auch zwei langjährige Beziehungen. Erst heute weiß ich, dass ich im Grunde ein treuer Mensch bin, aber große Probleme damit habe, Grenzen zu setzen. Ich fühlte mich nicht nur durch den Missbrauch stigmatisiert, sondern galt durch mein daraus resulierendes sexuelles Verhalten (das mir überhaupt keine Freude machte, sondern mich oft genug anekelte) als untreu. So blieb ich nicht nur für die Außenwelt, sondern auch innerlich immer die Schuldige.
Jetzt, in den Wechseljahren mit ihren Hitzewallungen, kann ich die Nähe meines derzeitigen Partners (der recht verständnisvoll ist) manchmal kaum vertragen, die Hitzewallungen steigern sich dann fast zu Panikattacken. Aber ich habe gemerkt, dass sich mitteilen und miteinander Reden in den meisten Fällen hilft, und das ist eine gute Erfahrung!
Und ich bin erleichtert, wenn ich mir sagen kann, dass ich doch nicht gar so schlecht und schuldig bin..Es gibt viele verständnisvolle Menschen und wir alle können gute und leidvolle Erfahrungen miteinander teilen!
Liebe Valerie,
Sie haben viel durchgemacht, ich weiß nicht, inwiefern Sie schon professionelle Hilfe in Anspruch genommen haben. Da Sie sich immer noch gequält fühlen, möchte ich Ihnen die Behandlung mit dem Emotionscode vorschlagen. Lesen Sie einfach mal in diesem Artikel, was das ist und wo Sie sich hinwenden können. Alles Liebe!