Wie Verhalten und Stoffwechsel der werdenden Mutter das Leben des Kindes und später sogar noch des Erwachsenen bestimmen.

Bereits in den 80er Jahren interessierte mich, ob Blut- oder Urinuntersuchungen der Schwangeren Rückschlüsse auf den Zustand des Babys bei der Geburt und seine Entwicklung in der Kindheit zulassen. In Fragebögen trugen wir die wichtigsten Daten zur Schwangerschaft und aus der Vorgeschichte der werdenden Mutter ein und werteten sie mit den ersten Computern aus, damals eine mühsame und langwierige Angelegenheit. Über 1.000 Schwangere und deren Kinder wurden bis zum Alter von vier Jahren verfolgt. Wir stellten fest, wie sich der Gesundheits- und Ernährungszustand der Mutter, ihr Rauchverhalten und andere Faktoren nicht nur auf das Geburtsgewicht des Babys auswirkten, sondern auch auf die kindlichen Fähigkeiten des Laufenlernens, Sprechens, der Infektanfälligkeit usw.

Durch die Computerisierung in Krankenhäusern ist es heute leichter möglich geworden, große Datenmengen relativ schnell zu erfassen. Gleichzeitig erlaubt die Entwicklung der Epidemiologie, in großen Bevölkerungsgruppen Daten, auch länger zurück liegende, zusammenzuführen. In den letzten Jahren konnten die Forscher deshalb erstaunliche Zusammenhänge zwischen Krankheiten des Erwachsenen und des Schwangerschaftsverlaufs der Mutter beschreiben. Vergleichbare Ergebnisse liegen aus Tierversuchen vor. So hat sich ein ganz neuer Forschungszweig entwickeln können, der sich mit der vorgeburtlichen, bzw. perinatalen Programmierung beschäftigt. Die neusten Erkenntnisse stelle ich Ihnen hier vor.

Bedeutung des Geburtsgewichts für spätere Erkrankungen

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Fetus in der 35. Schwangerschaftswoche*

Frauen mit Zuckerkrankheit haben ein erhöhtes Risiko, ein übergewichtiges Baby zu bekommen. Obwohl diese Neugeborenen wohlgenährt und gesund aussehen, sind sie besonders kränklig: sie müssen intensiv überwacht werden, da sie zu Unterzuckerung neigen, sie sind anfällig für Infekte, sie lernen verspätet laufen und sprechen. Wenn allerdings der Blutzucker der Schwangeren gut eingestellt ist, sind die Neugeborenen bei der Geburt normalgewichtig und entwickeln sich ungestört.

Wenn Sie jetzt denken, Sie sind ja nicht zuckerkrank, also gilt das für Sie nicht, dann kann das stimmen, es kann aber auch falsch sein. Denn in der Schwangerschaft kann vorübergehend eine Zuckerkrankheit entstehen, ein Gestationsdiabetes, ohne dass Sie etwas davon merken. Geburtshelfer gehen davon aus, dass nur bei jeder zehnten Frau mit Schwangerschaftsdiabetes dieser erkannt wird!

Die Folgen für das Kind sind dann genauso wie bei der bekannten Zuckerkrankheit: durch die hohen Zuckerspiegel im Blut wird das Baby regelrecht gemästet. Seine eigene Bauchspeicheldrüse schüttet große Mengen an Insulin aus, um die Zuckerschwemme zu bewältigen. Wichtige Steuersysteme im Gehirn, die erst heranreifen, werden fehlprogrammiert mit der Folge, dass die Zellen nicht auf Sättigungssignale reagieren. Denn der kindliche Stoffwechsel hält viel Zucker jetzt für ganz normal und verlangt auch später immer nach mehr.

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In Versuchen mit zuckerkranken Ratten konnten tatsächlich veränderte Hirnstrukturen nachgewiesen werden, besonders im Hypothalamus, wo das Zentrum sitzt, das die Nahrungsaufnahme hemmt. Diese Rattenkinder fraßen sich ohne Unterlass dick und fett. Aber Achtung: auch starkes Übergewicht der Schwangeren überfüttert die Babys im Mutterleib.

Neu ist, dass wir inzwischen wissen, dass das daraus entstehende kindliche Übergewicht nicht einfach nur ein Schönheitsfehler ist, sondern dass ab einem Geburtsgewicht von über 4 kg das Risiko für die/den Erwachsenen erhöht ist, selber Diabetes zu bekommen, Herz-Kreislaufprobleme zu entwickeln, vermehrt an Brustkrebs und Hodenkrebs zu erkranken, ja sogar Hirntumore sollen häufiger sein. Man nimmt an, dass das viele Insulin, das zur Bewältigung der Zuckerberge ausgeschüttet werden muss, als wichtiges Wachstumshormon die Entwicklung bösartiger Zellen begünstigt.

So schützen Sie Ihr Kind vor Übergewicht

• Wenn Sie übergewichtig sind, versuchen Sie vor einer Schwangerschaft Normalgewicht zu erreichen. Wenn Sie das nicht schaffen, stellen Sie wenigstens Ihre Ernährung um, und essen Sie kohlehydratarme, ballaststoffreiche Frischkost. Verzichten Sie auf Süßigkeiten, Limonaden, Junk-Food. Essen Sie nicht zu fett, denn auch fettes Essen kann süchtig machen. Genauere Ernährungsregeln finden Sie hier.

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• Falls Sie unerfüllten Kinderwunsch haben, haben Sie nach einer Gewichtsreduktion gute Chancen von alleine schwanger zu werden. Am erfolgreichsten sind basische Diäten, die auf viel Pflanzenkost beruhen, und eine dauerhafte Umstellung der Ernährung auf naturbelassene Frischkost.

• Wenn Sie Übergewicht haben oder schon älter sind oder schon ein Kind haben, das bei der Geburt über 4.000gr wog, lassen Sie einen Zucker-Belastungstest (Glukose-Toleranztest, GTT) machen.

• Auch in den ersten Lebensmonaten Ihres Kindes entwickeln sich die Nervenzellen und ihre Verschaltungen im Gehirn noch weiter. Wenn Sie es jetzt überfüttern, kann noch dasselbe passieren wie im Mutterleib. Der beste Schutz ist Stillen, denn die Muttermilch macht nicht fett und enthält viele Schutzstoffe, die Ihr Baby gesund erhalten.

Ihr Stress wird auch für Ihr Kind zum Problem

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schlafender Fetus*

Schon unsere Großmütter wussten: eine Schwangere darf sich nicht aufregen. Als in Österreich in den 70er Jahren eine Studiengemeinschaft für pränatale (vorgeburtliche) Psychologie gegründet wurde, kümmerte sich kein Arzt um diese Außenseiter. Und als ich in den 90er Jahren Dr. Ludwig Janus zu einem Vortrag in die Uni-Frauenklinik einlud (er wurde 1995 der Präsident der aus der Studiengemeinschaft hervorgegangenen Gesellschaft ISPPM), interessierte sein Vortrag zwar einige Hebammen aber keinen der Ärzte. Inzwischen wissen wir, dass das Baby im Mutterleib bereits auf akustische Reize reagiert, dass es träumt und fühlt und dass sich das Seelenleben der Mutter auf das Baby und seine ganze spätere Entwicklung auswirkt.

Neue Studien

• Nach den Terroranschlägen auf das World Trade Center in New York im September 2001 entwickelten viele Menschen, die das hautnah miterlebt hatten, eine sogen. Posttraumatische Belastungsstörung. Bei ihnen fielen erniedrigte Konzentrationen der Stresshormone (Cortisol) auf. In einer Studie konnte gezeigt werden, dass die Kinder der solchermaßen kranken Schwangeren mit einem Jahr einen erniedrigten Cortisolspiegel aufwiesen.

• Eine andere Untersuchung überprüfte die mütterlichen Cortisolspiegel zu verschiedenen Schwangerschaftszeitpunkten und bewertete den mütterlichen Stress durch Fragebögen. Am Ende des ersten Lebensjahres unterschied sich die geistige Entwicklung der Kinder von Frauen mit Stress in der Schwangerschaft deutlich von denen mit normaler Belastung.

• Frauen, die in der Schwangerschaft Gewalt durch den Partner erleiden mussten, wiesen hohe Cortisolspiegel im Speichel auf. Ihre Kinder waren bei der Geburt untergewichtig (ein Risiko für abnorme psychische und geistige Entwicklung).

• Siebenjährige Kinder von Müttern, die in der Schwangerschaft besonders gestresst und angstvoll waren, hatten deutlich häufiger unter Asthma zu leiden als die Kinder der weniger gestressten Vergleichsmütter.

• In Versuchen mit schwangeren Ratten, die gestresst wurden, zeigte sich dasselbe Phänomen: diese Rattenkinder hatten auch niedrige Stresshormonwerte, waren besonders ängstlich und konnten neuen Stress schlecht bewältigen. Auch kamen sie früher in die Pubertät.

Man nimmt an, dass die veränderten Stresshormone dem sich entwickelnden Gehirn die Botschaft einer gefährlichen Welt vermitteln, in der nur überlebt, wer ständig in Alarmbereitschaft ist. Normalerweise ist zwar im Mutterkuchen ein Enzym aktiv, das das Cortisol unschädlich macht, aber durch ungünstige Umstände kann dieses Enzym gebremst werden, bspw. durch Konkurrenten in der Nahrung oder Umweltgifte.

So bekommen Sie ein ausgeglichenes und fröhliches Kind

• Überanstrengen Sie sich in der Schwangerschaft weder körperlich noch psychisch.

• Treten Sie im Beruf kürzer. Glauben Sie nicht, dass Sie bis zum Geburtstermin noch 1.000 unerledigte Dinge endlich wegarbeiten müssen. Üben Sie Zeitmanagement.

• Legen Sie regelmäßige Pausen ein: 10 min ins Grüne blicken, schöne Musik hören, meditieren, einen kurzen Spaziergang machen usw.

• Meditation und der Schwangerschaft angepasste Yogaübungen halten Sie im Gleichgewicht.

• Unterhalten Sie sich mit Ihrem Baby und singen Sie ihm was vor.

• Essen Sie regelmäßig alle 4-5 Stunden in Ruhe und Achtsamkeit.

• Schlafen Sie nachts mindestens acht Stunden, und legen Sie sich mittags für mindestens eine halbe Stunde hin. Im Liegen wird der Mutterkuchen viel besser als im Stehen durchblutet, und Ihr Baby bekommt eine Extraportion Sauerstoff.

• Gehen Sie mindestens einmal am Tag für ein halbe bis eine Stunde an die frische Luft, und machen Sie beim Spazierengehen Atemübungen. Auch dadurch tanken Sie für Ihr Kind Sauerstoff.

• Wenn Sie ein wirklich erschütterndes Erlebnis haben, eine schwierige Partnerschaft oder andere belastende Probleme, suchen Sie professionelle Hilfe.

Infektionen in der Schwangerschaft können dauerhafte Folgen für Ihr Baby haben

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Fetus in der 21. Schwangerschaftswoche*

Sie wurden von uns Frauenärzten immer gefürchtet: in den ersten drei Schwangerschaftsmonaten wegen der Gefahr von Fehlgeburten oder Missbildungen, in den folgenden Monaten wegen Infektionen und Erkrankungen des Feten, bspw. Wasserkopf, Taubheit, Wachstumsstörungen usw. Ganz neue Untersuchungen geben Hinweise darauf, dass u.U. auch psychische Krankheiten (bspw. Schizophrenie, Autismus) von Jugendlichen und Erwachsenen durch mütterliche Infektionen in der Schwangerschaft bedingt sein könnten. Ein Schweizer Forscher provozierte bei Mäusen eine Immunreaktion, wie sie auch bei Virusinfekten vorkommt. Diese veränderte offenbar den Stoffwechsel im Gehirn der Mäusebabys, das Dopaminsystem, so dass sie im jungen Erwachsenenalter psychische Auffälligkeiten und veränderte Hirnstrukturen zeigten, wie sie auch bei menschlichen Jugendlichen mit Schizophrenie auftreten können.

So können Sie Infektion in der Schwangerschaft vermeiden

• Lassen Sie vor der Schwangerschaft Ihren Impfstatus überprüfen, denn gegen die wichtigsten Infektionskrankheiten können Impfungen schützen.

• Vermeiden Sie in der Schwangerschaft große Menschenansammlungen.

• Wenn Infektionsgefahr am Arbeitsplatz besteht, bleiben Sie zu Hause.

• Stabilisieren Sie Ihr Immunsystem, und halten Sie penibel alle Hygienevorschriften ein.

Baby im Arm

Neben diesen hier beschriebenen aufregenden neuen Ergebnissen darf jedoch nicht vergessen werden, dass Rauchen, Alkohol und Drogenkonsum in der Schwangerschaft die häufigsten Gifte sind, von denen schon lange bekannt ist, dass sie gesundheitliche Auswirkungen auf die gesamte kindliche und jugendliche Entwicklung haben. Auch Umweltgifte, wie Schwermetalle, Pestizide, Weichmacher u.a., die über die Luft, Haut oder Nahrung aufgenommen werden, können den Stoffwechsel und die Gehirnsignale durcheinander bringen.

Aber keine Angst, es müssen sicher viele Faktoren zusammen kommen, damit eine Krankheit beim Baby entsteht. Doch je mehr wir aus der Forschung lernen, desto weniger müssen wir „die Gene“ verantwortlich machen, an denen wir ja nichts ändern können. Sondern wir erkennen unsere Verantwortung, diese Krankheiten zu verhindern, indem wir uns informieren und unseren Lebensstil entsprechend anpassen. Außerdem können durch liebevolle Versorgung, vernünftige Ernährung und Erziehung nach der Geburt die Folgen vieler Versäumnisse während der Schwangerschaft abgemildert werden, da das kindliche Gehirn in den ersten Lebensmonaten noch sehr flexibel ist.

*Die Ultraschallbilder wurden mir freundlicherweise von der Praxis Paul/Chwat in Mannheim zur Verfügung gestellt.

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