Karnevalsferien, Valentinstag, schlechtes Wetter angesagt, was liegt da näher, als sich noch schnell mit einem guten Buch einzudecken und sich in eine warme Ecke zum Schmökern zurückzuziehen? In den letzten Wochen hatte ich sehr abwechslungsreiche Lektüre auf meinem Schreibtisch, Bücher, die es meiner Meinung nach verdienen, verschenkt oder selber gelesen zu werden.

Wuketits: Zivilisation in der Sackgasse

Der österreichischer Philosophieprofessor Franz W. Wuketits propagiert im Untertitel seines Buches die „artgerechte Menschenhaltung“! Was zunächst mal verrückt klingen mag, wird rasch klarer, wenn Sie allein schon daran denken, wie die psychischen Erkrankungen zugenommen haben, wie viele Artikel Sie schon über Burnout und Erschöpfung in meinem Webmagazin gelesen haben und wie chronische Krankheiten zunehmen. Da kann doch was mit unserer Menschheit nicht stimmen!

Unsere technischen Errungenschaften haben unsere Welt so rasant verändert wie nie zuvor. Da können unser kleiner menschlicher Geist und der Körper einfach nicht mithalten. Der Mensch ist nicht auf eine anonyme Massengesellschaft vorbereitet, er ist das geborene Kleingruppenwesen, (um die 10 Personen gehörten früher zur Primärgruppe). Nur dann kann sich ein gesunder Egoismus entwickeln, Verantwortungsbewusstsein und Kooperation.

Ein weiteres Problem ist der Geschwindigkeitswahn. Wir müssen schnell von A nach B, schnell essen, schnell noch eine email schreiben, schnell noch….Wo bleiben Genuss und Langsamkeit? Wir müssten ja inzwischen schon unheimlich viel Zeit gewonnen haben, was haben wir damit gemacht?

Und schließlich unser Machbarkeitswahn. Die Türme werden immer höher, die Städte werden „nachverdichtet“, der Konsum muss angeheizt werden, damit keine Arbeitsplätze wegfallen, der Dax muss immer steigen und keiner fragt, ob der einzelne Mensch das eigentlich möchte. Was tun wir uns an?

Aber lesen Sie selber, welche Begründungen Wuketits dafür hat, dass sich unsere Zivilisation in einer Sackgasse befindet. Und kann der Einzelne wirklich etwas tun? Keine Angst, das ist kein trockenes wissenschaftliches Buch, sondern humorvoll geschriebene Menschengeschichte.

Hansen: Silent control

Ein Thriller. Ich hätte nie gedacht, dass ich mich für so ein Buch begeistern könnte. Aber dieses Buch stellt so real die Bedrohungen durch unser Internet dar, dass man oft den Eindruck hat, dass weniger fantasy als vielmehr echtes Insiderwissen dahinter steckt. Der Autor Thore D. Hansen ist Soziologe und Politikwissenschaftler und hat während der Finanzkrise als Berater für große Banken gearbeitet.

So ist auch der Ausgangspunkt für den Roman die Wirtschaftskrise. Auf der einen Seite stehen die Mächtigen, die ihre Schätze behalten wollen, und ein ehrgeiziger menschenverachtender Chef der CIA, der über das Internet die Massen kontrollieren will. Aber nicht nur das, parallel dazu verfolgt er die totale Gedankenkontrolle über die Menschheit. Auf der anderen Seite ein junger genialer schwedischer Hacker, der die Zensur im Internet und die Machenschaften der Geheimdienste nicht hinnehmen will. Als ich im Januar las, dass sich der bekannte Hacker Aaron Swartz am 11.1.13 das Leben genommen hatte, (bzw. in den Tod getrieben worden war?) lief es mir eiskalt den Rücken hinunter.

Wie sich die Ereignisse im Roman überschlagen, wie natürlich(?) zunächst einmal das Gute siegt, das ist so fantastisch und mit so viel Insiderwissen dargestellt, dass ich nur jedem die Lektüre empfehlen kann. Auch im Hinblick auf das Risiko, vielleicht wirklich sicherheitshalber aus Facebook, Twitter und co auszusteigen.

Aidenberger: Der brave Patient schweigt

Ein Buch, das traurig und betroffen macht, aber leider nicht übertrieben ist. Die schwer asthmakranke Autorin, Alina Aidenberger, schrieb sich ihren Kummer und Frust in einem Tagebuch von der Seele. Es wird deutlich, wie unsere Gesundheitsreform versagt hat. Ärzte und Kliniken verwalten mit einem unglaublichen bürokratischen Aufwand ihre Patienten. Zu einem intensiven Arzt-Patientengespräch fehlt die Zeit.

Patienten mit chronischen Krankheiten rotieren von einem Facharzt zum nächsten, ohne dass jemand in der Lage ist, sich einen Gesamtüberblick über die individuelle Situation des einzelnen Menschen zu verschaffen. Da bleibt es nicht aus, dass Medikamentennebenwirkungen vernachlässigt werden, diagnostische Eingriffe mehrfach veranlasst werden, ohne dass sich ein neuer therapeutischer Gesichtspunkt ergibt.

Das eigene Erleben der Autorin geht sogar mir an die Nieren, denn ich habe ja jahrelang in ähnlichen Kliniken und Situationen gearbeitet, wie die Autorin sie beschreibt. Abgesehen von vernachlässigbaren Fehleinschätzungen eines Laien, was die medizinische Routine und den Arztstand betrifft, muss ich als Ärztin zugeben, dass Frau Aidenberger eine sehr gute Beobachterin ist.

Es beeindruckt, wie sie immer wieder versucht, die Ärzte und Fehlentscheidungen zu entschuldigen, wie sie immer wieder Hoffnung schöpft und vor allen Dingen ihren Humor bewahrt, auch wenn ihr kaum noch Luft zum Atmen bleibt. Sie macht deutlich, wie überlebenswichtig es heute ist, als Patient bestens informiert zu sein (deshalb habe ich ja mein Frauen-Gesundheitsbuch für Sie geschrieben), dem Arzt auch dann Fragen zu stellen, wenn er in Eile ist. Jeder, der für sich selber oder Angehörige Verantwortung übernehmen will/muss, sollte dieses Buch lesen, auch oder gerade weil es leider kein Happy End gibt.

Hachmann: Mein Wunscherbe. Teil 2: Im Land meiner Träume

Endlich etwas für die Seele, ein Buch über die Liebe!

Es ist schon länger her, dass ich Ihnen „Mein Wunscherbe. Teil 1: zwischen den Welten“ von Dietlinde Hachmann vorgestellt habe. Sie erinnern sich: Ein junge Frau, Lieselotte, gründet nach dem 2. Weltkrieg in Hamburg die Deutsch-Indische Gesellschaft, weil sie sich während eines Auslandsstudiums in einen jungen Inder, Deboo, und dessen Kultur verliebt hatte. Die verheiratete Mutter von vier Töchtern findet die Adresse „ihres“ Inders in Indien wieder, und es entspannt sich ein intensiver Schriftverkehr. Schließlich reist sie allein nach Indien, um ihre große Liebe wiederzutreffen.

Das Besondere an diesem zweiten Band waren für mich die wunderbaren Beschreibungen eines Indiens, das wir so nie wieder erleben werden. Denn Lieselotte macht für die deutsch-Indische Gesellschaft und mit Ihrem Deboo eine ausgedehnte Reise durch Indien, die man auf den beigefügten Landkarten leicht nachvollziehen kann. Ich war selber vor vielen Jahren mal in Indien, und dieses Buch rief viele schöne Eindrücke in mir wach.

Das weitere Besondere war der Schriftverkehr zwischen Lieselotte und ihrem Ehemann Hans daheim. Beide wollten eine moderne Ehe führen, Hans hatte akzeptiert, dass sie einen anderen Mann liebte und sie motiviert, ihn zu besuchen. In den Briefen wird dann deutlich, wie schwierig trotz allen guten Willens das Loslassen ist, das Zulassen, dass der geliebte Partner für einen anderen da ist. Als Frau nervte mich das drängelnde Nachfragen des Ehemannes, das Fordern, das Jammern, aber eigentlich kann man ihn verstehen. Jeder möchte auch um seiner selbst willen geliebt werden. Lassen Sie sich überraschen, was aus dieser alten, modernen Dreiecksgeschichte wird!

Richardson: Der Löwenflüsterer

Und noch ein Buch über die Liebe, hier einer außergewöhnlichen Liebe zwischen Mensch und Tier. Der Autor Kevin Richardson hat sich als Aushilfsarbeiter in einem Park in Südafrika mit den Tieren angefreundet. Besonders die Löwen hatten es ihm angetan. In seiner Lebensgeschichte beschreibt er, wie er als Autodidakt das Verhalten der Tiere erforschte.

Ruhig und voller Vertrauen lernte er, ihre Stimmungen und Gedanken zu erraten und mit ihnen auf einer non-verbalen Ebene zu kommunizieren. Seine Beziehung mit den Tieren geht so weit, dass er zwei junge Löwen als seine Brüder bezeichnet. Er zieht Tiere mit der Flasche auf und gewöhnt sie so an einander und an sich, dass man fast von paradiesischen Zuständen sprechen muss. Zwar gibt es auch gefahrvolle Situationen, aber es überwiegt die Faszination für das Wesen der Tiere in einer wundervollen ursprünglichen Landschaft.

Das Buch ist flüssig und humorvoll geschrieben, wundervolle Fotos illustrieren die Freundschaft und Liebe zwischen Mensch und Tier. Eines dieser Fotos kursierte gerade durch Facebook: ein wunderschöner riesiger Löwe, der mit dem Menschen schmuste, und niemand wusste, woher es stammte. Ein Buch für große Kinder und an der Natur interessierte Kind gebliebene Große.

Ich wünsche Ihnen eine spannende und inspirierende Ferienwoche!

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