Belastung für den Beckenboden

Belastung für den Beckenboden

Lange Zeit war für Frauen der ungewollte Harnverlust, auch Harninkontinenz genannt, ein Tabuthema, weil unter der Gürtellinie, schmerzhaft und peinlich. Heute kann offen darüber diskutiert werden. Etwa 6 Millionen Frauen in Deutschland leiden unter einer Blasenschwäche und die Dunkelziffer ist vermutlich doppelt so hoch. Die Auslöser sind vielschichtig, so dass auch unterschiedliche Behandlungen in frage kommen. Viel kann frau selber prophylaktisch und bei leichteren Beschwerden tun. Deshalb habe ich der BIO 3. 2010 ein Interview zu diesem Thema gegeben, das ich hier mit einigen Änderungen und Ergänzungen wiedergebe.

Wie kommt es zur Blasenschwäche mit den typischen Inkontinenz-Symptomen und warum treten die Beschwerden meist erst mit zunehmendem Alter auf?

Für eine Blasenschwäche gibt es in der Regel zwei Ursachen: Entweder ist der Druck auf den Blasenschließmuskel zu groß oder das Bindegewebe und die Muskulatur des Beckenbodens sind zu schwach. Zu großer Druck wird beispielsweise beim Pressen ausgeübt, sei es beim Stuhlgang oder während einer Geburt. Auch das häufige und falsche Heben schwerer Gegenstände kann zu einem zu starken Druck führen.

Andererseits ist durch fehlendes Training bei vielen Frauen die Beckenbodenmuskulatur verkümmert. Wenn dann noch eine Bindegewebsschwäche dazu kommt oder Übergewicht, ist die Blasenschwäche nur noch eine Frage der Zeit. Der Fachmann spricht dann von Belastungs- oder Stress-Inkontinenz.

Wann liegt denn eine Blasenschwäche vor?

© Martina Berg - Fotolia.com

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Typisch für eine Blasenschwäche ist der plötzliche Harndrang. Vor allem beim Lachen, Husten oder Niesen kann er so stark werden, dass er sich nicht mehr aufhalten lässt. Bei schweren Formen kann der Urin dann sogar beim Heben oder Stehen nicht mehr gehalten werden. Der Arzt stellt den Schweregrad der Belastungsinkontinenz fest, indem er bei gefüllter Harnblase einen Stress- oder Hustentest machen lässt. Oder er macht gleich eine kombinierte uro-dynamische Untersuchung.

Wie lässt sich der Blasenschließmuskel stärken?

Es hilft beispielsweise, auf der Toilette für ein paar Sekunden den Harnstrahl anzuhalten. Wenn man diese Übung mehrmals täglich und regelmäßig anwendet, bessert das in einem frühen Stadium. Erfolgversprechender ist jedoch ein Training des ganzen Beckenbodens.

Was kann man gegen die Bindegewebsschwäche tun?

Acker-Schachtelhalm, © Martina Berg- fotolia.com

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Die Veranlagung zur Bindegewebsschwäche kann man naturheilkundlich angehen. Hilfreiche homöopathische Mittel (DHU) sind beispielsweise Helonias, Lilium tigrinum, Murex, Natrium muriaticum, Sepia oder Silicea. Hier lässt man sich am besten von einem erfahrenen Therapeuten beraten.

Frauen, die Schüßlersalze (Pflüger) bevorzugen, können über einen Zeitraum von sechs Wochen viermal täglich je 3 Tabletten Calcium fluoratum D12, Calcium phosphoricum D6, Calcium carbonicum Hahnemanni D6 und Magnesium phosphoricum D6 einnehmen.

Aus der Spagyrik ist das Mittel AILGENO® spag. Peka Tropfen (Pekana) zu empfehlen. Dieses unterstützt die Milz, deren Aufgabe es nach ganzheitlichen Gesichtspunkten ist, die Organe am Platz zu halten. Hiervon nimmt man drei- bis viermal am Tag 15-20 Tropfen in etwas Wasser vor den Mahlzeiten ein.

Auch Pflanzenmittel, wie bspw. der Schachtelhalm, stärken das Bindegewebe. Hier können zwei- bis dreimal täglich 2-7 Tropfen, beispielsweise von CERES Equisetum® Urt. (ALCEA) eingenommen werden.

Was genau ist eine Reizblase?

Von einer Reizblase spricht man, wenn Frauen ständig das Gefühl haben, auf die Toilette zu müssen. Meistens kommt es dann aber nur zu kleinen Harnmengen. Der Fachmann spricht auch von Drang-Inkontinenz oder von einer überaktiven Blase (OAB). Wenn die Blasenentleerung dabei Schmerzen bereitet, steckt meistens eine Infektion dahinter (siehe dazu den Artikel über Blasenentzündungen). Sehr häufig treten Stress- und Dranginkontinenz kombiniert auf. Um die Probleme wieder los zu werden, ist es ganz wichtig, dass der Urologe durch genaue Untersuchungen und spezielle Messungen des Blasendrucks und der Nerven feststellt, was die Hauptursache ist. Denn dann kann man gezielt behandeln.

Wann und warum ist Beckenbodengymnastik so wichtig?

Frauen, die von einem oder mehreren Kindern entbunden wurden, haben ein höheres Risiko für eine Blasenschwäche. Jungen Müttern wird daher oft eine Beckenbodengymnastik empfohlen. Eigentlich müsste diese Beckenbodengymnastik lebenslang durchgeführt werden – nach der Geburt natürlich besonders intensiv und mehrmals täglich. Da Mütter häufig mehrere Jahre das stets schwerer werdende Kind mit sich herumschleppen, bleibt eine gewisse Belastung für den Beckenboden immer bestehen.

Mit zunehmendem Alter wird der Zustand von Bindegewebe und Muskulatur natürlich auch nicht besser, oft kommt Übergewicht hinzu. Deshalb kann ich als Frauenärztin nur empfehlen, in jedem Alter Beckenbodenübungen zu machen. Nach einer großen Analyse der medizinischen Daten lässt sich durch ein Training der Beckenbodenmuskulatur eine Besserung oder sogar Heilung in 50-75% erzielen. Und bei Übergewicht geht eine Gewichtabnahme um 5-10% schon mit einer Abnahme der Inkontinenzepisoden um 60% einher.

Welche leicht praktizierbaren Übungen können Sie empfehlen?

Schulterbrücke, © ingerhard

Schulterbrücke, © ingerhard

Am besten ist es, sich die Übungen zunächst von einer Physiotherapeutin oder Hebamme zeigen zu lassen. Damit man ein Gefühl dafür bekommt, in welchem Rhythmus man die Muskeln richtig an- und entspannt. Wenn man das einmal gelernt hat, kann man es jederzeit zwischendurch bei der Arbeit oder beim Gehen üben. Auch die richtigen Hebetechniken werden dort vermittelt.

Meine Lieblingsübung ist die Schulterbrücke aus dem Yoga, die ich jeden Morgen vor dem Aufstehen im Bett ausführe. Auch durch Bauchtanz können Frauen den Beckenboden kräftigen und ein Gefühl dafür entwickeln.

Welche technischen Hilfen gibt es?

Galileo-AdvPlus_Training1_bearbeitet-1Relativ neu ist die ganzheitliche Muskelstimulation zur Stärkung des Beckenbodens, bspw. durch ein Ganzkörper-Vibrationstraining. Beim Vibrationstraining steht man auf einer Art Wippe, die durch die ständige Bewegung den Körper dazu zwingt, das Gleichgewicht durch die Kontraktion verschiedener Muskelgruppen aufrecht zu erhalten. Diese Geräte gibt es in vielen verschiedenen Größen, auch ohne den Halteständer, so dass sie platzsparend zu Hause benutzt werden können. Nicht nur die Bein- und Rückenmuskulatur werden dabei gestärkt, sondern auch der Beckenboden. Bei einer bereits bestehenden Blasenschwäche ist es ratsam, zunächst unter Aufsicht eines Physiotherapeuten zu trainieren, damit die individuelle Einstellung korrekt angepasst werden kann. Und natürlich sollten sich nur ganz Fortgeschrittene gleichzeitig noch mit den Gewichten belasten, die für die Beckenbodenübungen nicht nötig sind.

3_27Ganz neu ist die Methode „ProFit for the Lady“, mit dem man gezielt und jederzeit problemlos üben kann. Ein kleiner elastischer Spezialtampon, der Stimpon, wird in die Scheide eingeführt. Dieser ist über Elektroden mit einem kleinen Steuergerät verbunden, das man ganz diskret in der Unterwäsche befestigen kann. Auf Knopfdruck lassen sich verschiedene Programme auswählen. Während des Trainings wird gegen einen sich verändernden Widerstand gearbeitet. Die Kontraktionen des Beckenbodens werden als Vibrationen auf der Haut spürbar. Je stärker die Beckenbodenmuskulatur angespannt wird, desto intensiver ist die Vibration des Gerätes. Jede Anwenderin erhält somit ihr individuelles Trainingsprogramm, das sich auch online zusammenstellen und kontrollieren lässt. Und noch ein Hinweis: eine starke Beckenbodenmuskulatur steigert die sexuelle Empfindsamkeit und kann mehr Spaß ins Liebesleben bringen.

Einige Ärzte bieten Magnetfeld-Stimulationen an. Die Therapiesitzungen dauern etwa 20 min und werden jeden zweiten Tag durchgeführt. Nach etwa 6-8 Sitzungen werden Besserungen verspürt, nach 20 sollen 50-70% der Patienten deutlich weniger Symptome haben.

Sollten diese Methoden nicht wirken, so geben Sie nicht resigniert auf, sondern wenden Sie sich an einen Urologen. Es gibt heute sehr effektive medikamentöse oder operative Behandlungsmethoden. Auch spezielle Slipeinlagen oder Pessare können eine Hilfe sein.

Wie viel trinken bei Blasenschwäche?

Saft

Saft

Viele Frauen mit Blasenschwäche reduzieren ihre tägliche Trinkmenge auf ein Minimum. Das ist keinesfalls gut, denn das erschwert dem Körper die Ausscheidung der so genannten harnpflichtigen Substanzen. Besser ist es, zu trinken und die Pausen zwischen den Toilettengängen immer etwas zu verlängern, um das Fassungsvermögen der Blase wieder zu steigern. Am besten man notiert für eine gewisse Zeit, wie viel man trinkt, wie viel man ausscheidet und wann man einen Harndrang verspürt. So lässt sich der Zustand der Blase kontrollieren und dann auch verbessern. Gegebenenfalls sollte man zwei Stunden vor dem Schlafengehen nichts mehr trinken.

Optimal sind 1,5 bis 2 Liter Flüssigkeit, gleichmäßig über den Tag verteilt. Vegetarier, die viel Obst und Gemüse essen, brauchen meistens weniger. Wer viel Junk-Food zu sich nimmt oder immer nachsalzen muss, braucht mehr. Wenn ältere Frauen zu viel trinken, kann die Niere überlastet und der Verlust an Mineralstoffen zu hoch werden.

Können auch Hormone helfen?

Wenn die Beschwerden der Blasenschwäche nach den Wechseljahren deutlich schlimmer werden, kann durch eine einen Ausgleich des Hormonmangels oft eine Besserung erzielt werden. Denn die Blasenschleimhaut, die überempfindlich mit einer Drangsymptomatik reagiert, wird durch Östrogene wieder aufgebaut und unempfindlicher. Dazu reichen oft schon Scheidenzäpfchen aus, die Östriol enthalten und keine unerwünschten Nebenwirkungen auf den Körper haben. In einer Praxisstudie konnte bei Frauen mit Belastungsinsuffizienz das Ergebnis noch gebessert werden, wenn zusätzlich Vitamin D als Scheidenzäpfchen verabreicht wurde (siehe auch den Artikel über Scheidenentzündungen).

Weitere Informationen finden Sie hier bei der Deutschen Kontinenz Gesellschaft.

Text incl. Bildnutzung mit freundlicher Genehmigung des Bio Ritter Verlags.

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