Für den Erhalt der Gesundheit spielt die Krebsvorsorge eine bedeutende Rolle. Hierzu zählen Untersuchungen, Impfungen und Tests, aber auch der individuelle Lebensstil. Die gesetzlichen Krankenkassen übernehmen nicht für alle Vorsorgeuntersuchungen die Kosten. Welche sind nun wirklich wichtig, welche schaden vielleicht sogar? Viele Frauen fühlen sich verunsichert und gehen erst gar nicht zur Frauenärztin. Zu diesem wichtigen Thema befragte mich vor einigen Wochen die Journalistin des K-Journals Mensch und Krebs, Sybille Sarnow.
Welche Krebsvorsorgeempfehlungen können Sie aus Ihrer langjährigen schulmedizinischen und naturheilkundlichen Erfahrung unseren K-Leserinnen geben?
Es gibt zwei Arten der Krebsvorsorge, die eine beinhaltet, was Frauen selbst im täglichen Leben für sich tun können, um nicht zu erkranken. Die andere bezieht sich auf das ärztliche Früherkennungsangebot. Wir wissen inzwischen sehr viel darüber, wie wichtig unser Lebensstil für unsere Gesundheit ist: Ernährung, Bewegung, Normalgewicht, Verzicht auf Rauchen und zu viel Alkohol. Doch leider ist dieser Teil der Gesundheitsvorsorge für die meisten der schwierigste.
Was könnte den Menschen helfen, mehr auf sich und die eigene Gesundheit zu achten?
Ich denke, wenn jeder mehr über die Zusammenhänge von Lebensstil und Gesundheit Bescheid wüsste, würde man wahrscheinlich auch mehr für sich tun.
Alles was wir aufnehmen, wird im Körper verstoffwechselt, also umgebaut. Wir würden kein Haus mit Sand statt Mörtel bauen oder mit Pappe statt mit Backsteinen. Wir essen aber von der Industrie degeneriertes Essen ohne genügend Vitamine, sekundäre Pflanzenstoffe, Spurenelemente, aber stattdessen mit vielen synthetischen Aromen, Konservierungs- und Farbstoffen. Unser armer Körper soll dann daraus etwas Vernünftiges bauen, einen gesunden Stoffwechsel erzeugen.
Beim Hausbau sehen wir die Notwendigkeit ein, gute Baumaterialien zu verwenden. Für die Gesundheit unseres Körpers nicht. Wir müssen in der Öffentlichkeit sehr viel plakativer argumentieren, wie wichtig beispielsweise die Ernährung ist. Es gibt viele Studien, die belegen, dass Bio- und saisonale Frischkost aus der Umgebung gesünder sind als industrielle Fertiggerichte.
Raten Sie Frauen zu Nahrungsergänzungsmitteln?
Es gibt Menschen, die brauchen keine, wenn sie sich optimal ernähren. Andere sollten aber welche einnehmen. Das hängt davon ab, wie belastet die Einzelnen sind – Stress, Elektrosmog, Umweltschadstoffe –, in welcher Gegend sie leben, welche familiäre Vorbelastung sie haben, wie es um ihre Gesundheit steht und ob sie zu viel oder zu wenig Bewegung haben.
Wenn eine Frau zum Beispiel viel Stress im Fulltimejob hat und Sport treibt und womöglich noch den ganzen Haushalt alleine schmeißt, dann braucht sie Magnesium, Zink usw. als Ergänzung. In dem Fall reicht eine abwechslungsreiche Ernährung oft nicht aus.
Auch bei Krebspatienten wird fast immer eine Mangelversorgung festgestellt. Die Einnahme von Nahrungsergänzungsmitteln sollte aber besonders bei diesen aufgrund möglicher Wechselwirkungen mit andern Medikamenten nur unter ärztlicher Anleitung erfolgen.
Gerade für Krebspatienten ist Selen ein wichtiges Spurenelement. Wenn wir unsere von Monokulturen ausgelaugten selenarmen landwirtschaftlichen Flächen betrachten, verstehen wir, warum in unserem Getreide kaum Selen ist. Selen unterstützt die Schilddrüse, ist ein wichtiges Antioxidanz und entgiftet den gesamten Organismus. Wir müssten unsere Nahrung eigentlich genauso mit Selen anreichern, wie wir Jod im Salz substituiert haben. Da es in großen Mengen aber giftig ist, muss jeder selbst für eine ausreichende Aufnahme mit Nahrungsergänzungen sorgen.
Neben dem Verzicht auf gesundheitsschädliches Rauchen und zu viel Alkohol haben Sie als weitere Präventionsmaßnahme „Bewegung“ angesprochen.
Kann Sport eine Krebserkrankung verhindern?
Bewegung ist für unsere Gesundheit weitaus wichtiger, als man früher vermutet hat. Auch für Krebspatienten, und ganz besonders für diejenigen, die unter einer Fatigue nach der Therapie leiden. Und was während einer Krebstherapie gut ist, ist als Prophylaxe umso besser. So können beispielsweise Frauen mit einem erhöhten Risiko für erblichen Brustkrebs ihr Risiko durch Sport halbieren. Regelmäßige Bewegung kurbelt den Stoffwechsel an, erhöht die Sauerstoffaufnahme und fördert die Produktion von Glückshormonen.
Damit die „Sportbegeisterung“ der Frauen lange anhält, sollten sie die Sportarten wählen, die sie am liebsten machen. Wichtig ist dabei auch, sich nicht zu überfordern, sondern den Sport im richtigen Maß zu betreiben, sonst leiden die Zellen unter Stress. Gut ist immer eine Kombination aus einem Herz-Kreislauf- und einem Muskeltraining. Zum Beispiel dreimal die Woche Walken, dann noch ein- bis zweimal Krafttraining. Studien haben gezeigt, dass beide Trainingsarten wichtig sind, sowohl eine Ausdauersportart als auch ein Krafttraining. Und ganz besonders effektiv ist Sport und Spaß in der Gruppe.
Immer wieder wurde in den letzten Jahren die Antibabypille bezichtigt, das Brustkrebsrisiko zu erhöhen.
Sollten Frauen besser die Finger davon lassen?
Nein, das sehe ich anders. Wir haben die Pille als Verhütungsmittel schon über 50 Jahre. Die längerfristige Einnahme kann zu einer geringen Risikosteigerung für Brustkrebs führen. Aber dafür schützt die Einnahme vor anderen Krebserkrankungen, bspw. Darm- und Eierstockkrebs. Das liegt daran, dass durch fehlende Eisprünge der Eierstock weniger Risiko hat, sich bei der Teilung und Entwicklung der Eizellen bösartig zu entwickeln. Frauen müssen also keine Angst haben, dass sie krebsanfälliger wären, wenn sie die Pille nehmen.
Als zweiten Teil der Krebsvorsorge nennen Sie die gynäkologischen Untersuchungsangebote.
Jede gesetzlich versicherte Frau ab 20 Jahren hat einmal im Jahr Anspruch auf eine Früherkennungsuntersuchung beim Frauenarzt. Der Arzt tastet die Gebärmutter und die umliegenden Organe durch die bimanuelle Untersuchung, das heißt durch die Bauchdecke und die Scheide, ab. Über die Scheide kontrolliert er Muttermund und Gebärmutterhals. Obligatorisch ist außerdem ein Zellabstrich, der so genannte PAP-Abstrich. Ab 30 übernimmt die Krankenkasse weitere Kosten, zum Beispiel für die Abtastung der Brust, des Enddarms oder den Test auf Blut im Stuhl. Manche Vorsorgeuntersuchungsmethoden sind sogenannte IGEL-Leistungen und werden nicht übernommen.
PAP-Abstrich: Zu jeder gynäkologischen Vorsorgeuntersuchung gehört ein Abstrich zur Früherkennung eines Gebärmutterhalskrebses. Die Bezeichnung „PAP-Abstrich“ geht auf den griechischen Arzt George Nicolas Papanicolaou zurück, der zu Beginn des 20. Jahrhunderts eine Methode zur Beurteilung von Zellen entwickelte. Für den Abstrich entnimmt die Frauenärztin mit einem Spatel oder einer kleinen Bürste Zellen vom Muttermund und aus dem Gebärmutterhals. Diese werden in einem Speziallabor untersucht. Aus der Beschaffenheit der Zellen können Rückschlüsse auf Entzündungen oder krankhafte Veränderungen am Gebärmutterhals geschlossen werden, z. B. auf Krebsvorstufen und im schlimmsten Fall auf einen bösartigen Tumor. Die meisten Veränderungen sind jedoch harmlos. In der Regel folgen dann weitere Kontrollabstriche. Die genaue Einteilung und Bewertung finden Sie in meinem Frauen-Gesundheitsbuch
Übersicht über die Vorsorgeuntersuchungen, die von den gesetzlichen Krankenkassen übernommen werden
- ab dem 20. Lebensjahr jährlich Gebärmutterhalskrebs durch PAP-Abstrich
- ab dem 30. Lebensjahr jährlich Brustkrebs durch Abtasten
- ab dem 35. Lebensjahr zweijährlich Hautkrebs
- ab dem 50. Lebensjahr jährlich Dickdarmkrebs durch chemischen Bluttest, Enddarmkrebs durch Abtasten, Mammographie-Screening (zweijährlich)
- ab dem 55. Lebensjahr zweimal im Abstand von 10 Jahren Dickdarmkrebs durch Darmspiegelung
Welche der Krebsvorsorge-Angebote legen Sie Frauen besonders ans Herz?
Den regelmäßigen Krebsabstrich vom Muttermund auf jeden Fall einmal im Jahr. Bei häufig wechselnden Geschlechtspartnern oder häufigen Infektionen eher jedes halbe Jahr. Die Veränderungen am Muttermund, die man durch den Krebsabstrich feststellen kann, bilden sich sehr häufig von alleine zurück oder haben eine sehr lange Latenzzeit, bis sie sich wirklich zum Krebs entwickeln. Außerdem gibt es inzwischen Zusatztests, die nachweisen, ob Papillomaviren, die zu Krebs führen können, überhaupt beteiligt sind.
Ich würde bei meinen Patientinnen auch immer den Blutdruck messen, da mittlerweile bereits junge Menschen zu Bluthochdruck neigen. Diese Messung zählt zwar nicht zur Krebsvorsorge, sondern zur generellen Gesundheitsvorsorge. Ich würde sie aber trotzdem immer auch in diesem Rahmen vornehmen. Dazu gehört auch auf jeden Fall eine Urinuntersuchung, um zu sehen, ob Blase und Nieren in Ordnung sind, und keine versteckten oder chronischen Entzündungen vorhanden sind.
Ob ein regelmäßiger vaginaler Ultraschall vor Eierstockkrebs ausreichend schützen kann, ist umstritten, denn es gibt Krebsarten, die sehr schnell wachsen. Doch im Prinzip ist ein vaginaler Ultraschall besser als keiner, weil man zum einen die Gebärmutter genauer beurteilen kann, beispielsweise ob die Schleimhaut zu hoch aufgebaut ist oder Myome darstellbar sind, und zum anderen auch die Größe der Eierstöcke sieht und ob Zysten vorhanden sind.
Das regelmäßige Abtasten der Brust und Achselhöhlen ist auch ein unbedingtes Muss. Und wenn man als Patientin noch mehr tun will oder eine „Problembrust“ hat, dann empfehle ich einen zusätzlichen Brust-Ultraschall. Je nach familiärer Vorbelastung oder bereits eigener Brustkrebserkrankung kann auch in regelmäßigen Abständen eine Mammografie sinnvoll sein – aber nicht zu häufig.
Was heißt „eine Mammographie nicht so häufig“?
Nicht alle drei Monate oder jedes halbe Jahr, sondern alle ein bis zwei Jahre, je nach Befund, das sollte der Facharzt entscheiden. Die Strahlenbelastung ist sonst zu groß. Im übrigen werden die flächendeckenden Brustkrebs- Früherkennungsmaßnahmen durch die regelmäßige Mammographie ja inzwischen sehr zurückhaltend beurteilt, da die Brustkrebssterblichkeit damit offenbar nicht gesenkt werden kann.
Zur Stuhluntersuchung auf Blut raten Sie nicht. Warum?
Es ist fraglich, ob der chemische Okkultbluttest viel Aussagekraft hat. Er wird nach wie vor für ältere Personen ab 50 empfohlen und von den Krankenkassen erstattet. Wobei es mittlerweile bessere immunologische Stuhluntersuchungsmethoden gibt, die genauer unterscheiden können zwischen dem eigenen Blut und Nahrungsbestandteilen oder Medikamenten. Dies sind aber IGEL-Leistungen.
Können genetische „Hochrisikofrauen“ und Frauen mit Krebserkrankungen bei den Eltern und Geschwistern außerdem noch etwas für ihre Krebsvorsorge tun?
Ich empfehle solchen Patientinnen einmal im Jahr einen Ultraschall machen zu lassen, um die großen Organe abzuchecken. Ein erfahrener Gastroenterologe kann dabei sehr gut sehen, ob die Nieren, Bauchspeicheldrüse und Leber ein normales Bild abgeben. Man sieht auch die Gallenblase und mögliche Steine oder Polypen darin. Auch das Hautkrebsscreening sollte jede, nicht nur die Vorbelastete, wahrnehmen.
Was halten Sie von einer Chemoprävention durch Tamoxifen oder Raloxifen für „Hochrisikofrauen“, wie sie in den USA zugelassen ist?
Die Nebenwirkungen einer solchen Behandlung sind erheblich. Mit Bewegung und einer ausgewogenen Ernährung lässt sich das Erkrankungsrisiko wahrscheinlich genauso gut reduzieren wie durch diese Medikamente.
Für die HPV-Impfung als Krebsprophylaxe gibt es viele Befürworter, aber auch Gegner. Wie stehen Sie dazu?
Ja, diese Impfung gegen Gebärmutterhalskrebs wird kontrovers diskutiert. Seit 2007 wird sie von der STIKO (Ständige Impfkommission) jungen Frauen zwischen 12 und 17 Jahren empfohlen und auch von den gesetzlichen Krankenkassen bezahlt. Der Impfstoff wirkt gegen die zwei HPV-Virentypen 16 und 18, die für 70 Prozent der Gebärmutterhalskrebse verantwortlich sein sollen, ein anderer zusätzlich gegen die Typen 6 und 11. Diese rufen Feigwarzen hervor. Wie lange dieser Impfschutz wirkt, darüber gibt es noch keine Erfahrungen. Auch weiß man nicht, ob es durch die Impfung nicht zu einer Veränderung der Virentypen kommt und somit die Impfwirkung eingeschränkt wird. Langzeitstudien fehlen bisher. Die Impfung ist zudem nur vor dem ersten Geschlechtsverkehr sinnvoll, bevor ein Kontakt mit den Viren stattgefunden hat.
Etwa 80 Prozent aller Frauen haben im Laufe ihres Lebens Kontakt mit diesen Viren. In den meisten Fällen klingt eine Infektion unbemerkt wieder ab. Die Typen 16 und 18 kommen nur bei weniger als fünf Prozent der Infektionen vor. Ich persönlich halte den regelmäßigen PAP-Abstrich als Vorbeugemaßnahme für weitaus wichtiger – ja unverzichtbar. Diese Untersuchung kann frühzeitig Zellveränderungen feststellen, die behandelbar sind. Solche Veränderungen brauchen durchschnittlich zehn Jahre, um zu einem Gebärmutterhalskrebs zu werden. Mag sein, dass es in sozial schwachen Gruppen aufgrund von fehlenden mechanischen Verhütungsmitteln und Vorsorgeuntersuchungen sinnvoll ist durchzuimpfen. Aber letztendlich muss jede Frau für sich oder ihre Tochter selbst die Vor- und Nachteile einer HPV-Impfung abwägen.
Hier erhalten Sie weitere Informationen und Broschüren
- MammaCare Europe (Hrsg): MammaCare – Die Methode zur Brustselbstuntersuchung.
- Nationales Netzwerk Frauen und Gesundheit (Hrsg.): Brustkrebs-Früherkennung. Informationen zur Mammografie.
- Die Broschüre der Techniker Krankenkasse zur Krebsfrüherkennung kann über den Link „www.tk-online.de/tk/broschueren-und-mehr/krebs-frueherkennung/brustkrebs-frueherkennung/159400“ direkt heruntergeladen werden.
- Nationales Netzwerk Frauen und Gesundheit (Hrsg.): Früherkennung von Gebärmutterhalskrebs/HPV-Impfung (Broschüre).
- Die Broschüre der Techniker Krankenkasse kann über den Link „www.tk-online.de/tk/broschueren-und-mehr/krebs-frueherkennung/hpv-impfung/141712“ direkt heruntergeladen werden.
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Dass der Lebenswandel eine große Rolle bei der Krebsvorsorge bei Frauen spielt, überrascht mich generell nicht. Ihr Artikel hat mich jedoch auf eindringliche Art und Weise daran erinnert, mehr auf meine Lebensweise zu achten. Vor allem auf die Selenzufuhr werde ich vermehrt achten.