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Brustkrebs, © ingerhard

Die Häufigkeit von Brustkrebserkrankungen hat in den westlichen Ländern in den vergangenen Jahrzehnten zugenommen. Nicht nur durch die Vorsorgeuntersuchungen wird Brustkrebs auch häufiger bei noch sehr jungen Frauen entdeckt. Bereits vor 20 Jahren ließ ich deshalb bei einigen Frauen mit Brustkrebs Blut auf verschiedene Umweltgifte untersuchen. Es zeigte sich eine insgesamt deutlich stärkere Belastung dieser Frauen mit verschiedenen Schwermetallen und Pestiziden als bei gleichaltrigen Frauen ohne Brustkrebs.

Im folgenden Artikel hat Frau Martina Schröder, eine Mitarbeiterin des FeministischenFrauenGesundheitsZentrums in Berlin, zusammengestellt, wie wir uns heute den Zusammenhang zwischen Brustkrebserkrankung und Umweltfaktoren vorstellen.

Seit Beginn der Brustkrebsbewegung in den USA haben die Frauen dafür gesorgt, dass sehr viel Geld in die Erforschung der Ursachen fließen sollte, das, so scheint es, lediglich in der Diagnose- und Behandlungsforschung eingesetzt wurde. Bis heute ist die Ursache unbekannt. Es wird davon ausgegangen, dass eine Kombination aus hormonalen, genetischen, mit der Lebensweise verbundenen Faktoren und Umweltfaktoren die entscheidende Rolle spielt. Allein bei radioaktiver Strahlung besteht die Gewissheit, dass sie Brustkrebs auslösen kann. Diese reichert sich im Körper an und verursacht Schäden.

Es wird davon ausgegangen, dass 50 bis 70% der Brustkrebsfälle durch Umweltfaktoren ausgelöst werden.

Dazu zählen alle Faktoren, die die Gesundheit durch äußere Einflüsse beeinträchtigen können. Doch was bedeutet dies und was ist zu tun?

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Heute wissen wir sicher, dass künstliches Östrogen und Gestagen, die in der Pille und der Hormontherapie eingesetzt werden, nachweislich das Brustkrebsrisiko erhöhen. Und wir haben auch gesehen, dass die Erkrankungsraten der Frauen über 50 sanken, sobald die Einnahme der Hormontherapie nach 2002 drastisch zurückging. Es gibt aber auch hormonaktive Chemikalien in unserer Umwelt, die Hormone nachahmen oder das Hormonsystem stören können. Sie werden Xenoöstrogene genannt und sind Teil einer Chemikaliengruppe, die als hormonaktive Chemikalien oder endokrine Disruptoren bezeichnet werden. Eine Liste der giftigen Chemikalien im alltäglichen Leben finden Sie hier.

Was passiert also, wenn Hormon imitierende Chemikalien, denen Kinder und Frauen heute in immer größerem Maße ausgesetzt sind, ähnliche Wirkungen haben?

In den USA zeigte das Silent Spring Institut, dass nationale und internationale Regulierungsbehörden 216 Chemikalien und Quellen von radioaktiver Strahlung identifiziert haben, die mit der Verursachung von Brustkrebs in Zusammenhang gebracht werden. Aber viele Chemikalien, die Hormon störende Wirkung haben, sind dort nicht registriert. 85.000 synthetische Chemikalien sind heute im Handel und täglich kommen neue hinzu, mehr als 90% sind nie auf ihre Auswirkungen auf den Menschen untersucht worden.

Hormone agieren nach dem Schlüssel-Schlossprinzip. Die Chemikalien können sich anschließen und das Schloss blockieren und geben dem Körper dann falsche Signale. Oder sie passen in Schlösser, in denen z. B. Östrogen niemals sein sollte, oder greifen in die natürlichen Prozesse des Körpers bei Schadensreparatur oder Vernichtung von geschädigten Zellen ein. Viele Chemikalien sind fettlöslich und bis zu 300 verschiedene sind im Körper des Menschen und der Brustmilch gefunden worden. Frauen haben mehr Fettgewebe und somit mehr Einlagerungsmöglichkeiten für toxische Chemikalien als Männer. Sie bauen giftige Substanzen auch langsamer ab als Männer. Da die Brust zum großen Teil aus Fettzellen besteht, ist sie besonders empfänglich für toxische Chemikalien. Selbst vorgeburtliche Vergiftungen können das Risiko erhöhen zu erkranken.

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Wir wissen wenig darüber, wie stark uns die tägliche Gesamtmenge dieser ganzen Chemikalien beeinträchtigt. Aber was wir wissen, macht es ratsam, gewisse Chemikalien zu verbieten, besonders jene, die sich in Fett und Milch ansammeln.

Fakt ist, dass einige Chemikalien gemeinsam die Wirkung des natürlichen Östrogens, das u.a. das Brustzellenwachstum stimuliert, verstärken können, selbst wenn sie nur in geringen Mengen vorkommen, die sonst einzeln keine Wirkung hätten. In einer spanischen Studie wurde bewiesen, dass die Gesamtmenge bestimmter Chemikalien im Körper einer Frau mit der Erhöhung des Brustkrebsrisikos verknüpft war.

Der Zeitpunkt, zu dem die Chemikalien aufgenommen werden, ist entscheidend, wie eine Studie zeigte. Frauen, die in der Pubertät relativ hohen Dosen DDT ausgesetzt waren, hatten ein fünfmal höheres Risiko, später zu erkranken, als Frauen mit geringer Belastung. Dies war bei einer Belastung nach der Pubertät nicht mehr nachzuweisen. Untersuchungen zeigen, dass es im wesentlichen darauf ankommt, wann die Aufnahme dieser Chemikalien besonders stark war. Gerade die sensiblen Phasen der vorgeburtlichen Entwicklung und des Kindes- und Jugendalters haben sich als besonders gefährlich für die Schädigung mit diesen Stoffen erwiesen, die eine Grundlage für die spätere Erkrankung legen. Dies erklärt auch, warum in manchen Untersuchungen bei Frauen, die erkrankt sind, keine besonders hohen Spiegel mehr gefunden wurden. Das Wann und Wie lange sind ebenso wichtige Faktoren wie das Wie viel und macht deutlich, warum auch Stoffe zu berücksichtigen sind, die bereits verboten sind.

Frauenarbeitswelt und Brustkrebsrisiko

Die Arbeit, die Frauen machen, setzt sie in vielfacher Weise Gefährdungen aus. Haus- und Gartenarbeit bringt sie mit Chemikalien und Pestiziden in Kontakt, aber vor allem auch der Arbeitsplatz. Die sich wandelnde Arbeitswelt erfordert mehr Arbeitsstunden und Schichtarbeit, Teilzeitjobs oder Arbeit in Familienbetrieben unterliegen weniger Gesundheits- und Sicherheitsregeln. Leider herrscht die Annahme, dass Frauenarbeit sicher ist. Tatsache ist, dass es dazu wenig geschlechtsspezifische Forschung gibt. Einige Berufe tragen ein Risiko für erhöhte Brustkrebsraten, wie z.B. Krankenschwester, medizinische Assistentin, Gesundheitstechnikerin, Apothekerin, Flugbegleiterin, Frisörin, Kosmetikerin, Bibliothekarin, Malerin und Textilarbeiterin; aber auch Computer- und Callcenterarbeitsplätze, da die Frauen hier verstärkt und lange Chemikalien und Strahlung ausgesetzt sind. In Großbritannien wird geschätzt, dass zwischen 1500 bis 4000 Brustkrebsfälle jedes Jahr mit den Bedingungen am Arbeitsplatz in Verbindung stehen. Frauen in Gewerkschaften müssen hier aktiv werden und die Regeln für Gesundheitsrisiken mitgestalten. Ein Umdenken des Gesetzgebers ist notwendig, um Sicherheit am Arbeitsplatz für Frauen neu zu definieren und zu regulieren.

Was tun?

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Bisher steht sehr stark im Mittelpunkt, dass Frauen auf ihre Lebensweise achten sollen. Gesichert scheint, dass ein durchschnittliches Körpergewicht, körperliche Aktivität als Teil des alltäglichen Lebens, nicht mehr als ein alkoholisches Getränk am Tag und Stillen das Brustkrebsrisiko verringern können. Eine neue Auswertung von über 900 Studien beziffert den Effekt, den dies haben könnte, auf ein Drittel weniger Brustkrebsfälle. Auf andere Risikofaktoren haben Frauen überhaupt keinen Einfluss, wie eine frühe erste Menstruation oder späte Menopause.

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Nach den vorliegenden Erkenntnissen ist es sinnvoll, sich Chemikalien so wenig wie möglich auszusetzen. Dazu gehören unnötige Haushaltschemikalien, Lebensmittelverpackungen aus Kunststoff, Kosmetika oder Pestizide für den Garten. Biologisch angebautes Obst und Gemüse, die Rückkehr zu Glasbehältern und rostfreiem Stahl, vor allem aber natürliche oder selbst gemachte Kosmetika bieten eine Alternative. Hilfreich ist auch, den Arbeitsplatz auf Gifte und Chemikalien untersuchen zu lassen.

Und: Sinkende Absatzzahlen sind ein starkes Signal an die Industrie umzudenken.

Angesichts der Fülle der Einsatzbereiche der Stoffe haben wir als Einzelne nur sehr begrenzte Möglichkeiten. Es müssen gesetzliche Rahmenbedingungen geschaffen werden, um schädliche Chemikalien schneller und umfassender zu verbieten und Alternativen zu entwickeln.

Es macht Mut, dass 200 WissenschaftlerInnen in Prag 2005 eine Erklärung verabschiedet haben, die fordert, dass eine Regelung über endokrin aktive Stoffe und ihre schädliche Wirkung in absehbarer Zeit umgesetzt werden muss, um das Risiko vermindern zu können. Hormondisruptoren müssen vom Markt verschwinden! Wie so oft stellt sich die Frage, wie viele Beweise werden noch benötigt? Die stark angestiegene Zahl der Erkrankungen in den letzten vierzig Jahre sagt genug aus, um tätig zu werden und die Verantwortung nicht den Frauen zu überlassen.

Bis heute gibt es große Barrieren, Prävention auf die Agenda zu setzen. Unsere Gesellschaft denkt, Brustkrebs ist ein Fakt im Leben und unvermeidbar, sie ist fixiert auf Behandlung und Kontrolle der Krankheit, anstatt Primarprävention einzufordern. Bis heute ist ein Präventionsgesetz verhindert worden. Mit Prävention kann kein Profit gemacht werden.

Slogan eines großen Pharmaherstellers

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Brustkrebs ist eine sehr emotional besetzte Krankheit. Dies wird sehr stark von den Medien ausgespielt. Jeden Oktober oder wenn eine prominente Frau betroffen ist, wird Brustkrebs zu einer persönlichen Geschichte. Das Scheitern der medizinischen Wissenschaft bei Prävention und Heilung wird nicht in den Fokus genommen, noch warum die Erkrankungsrate weiter steigt. Es gibt kaum Raum für die Themen Umwelt- und Arbeitsrisiken als Ursache. Auch die Medien konzentrieren sich auf Ernährung, Sport und bessere Medikamente. Das Krebsestablishment mit seinen auf den Lebensstil fokussierten Risikofaktoren legt alle Verantwortung in die Hände der Individuen. Frauen werden angesehen, als brächten sie selbst die Krankheit hervor. Uns wird erzählt, wir bekommen unsere Kinder zu spät, wir trinken und rauchen zuviel, machen zu wenig Sport, stillen nicht genug, haben unsere erste Menstruation zu früh, die Menopause zu spät, nehmen zu viele Hormone.

Wir brauchen dringend eine andere Diskussion, die deutlich macht, wo wir verstärkt nach Risikofaktoren fahnden und diese verhindern können. Die Brustkrebsinitiativen in den USA und Großbritannien, allen voran Breast Cancer Action, sind wieder Vorreiterinnen, die sich mit Umweltverbänden zusammengetan haben, um hier weiter zu kommen. So ist es ihnen bereits gelungen, Konzerne zu zwingen, schädliche Stoffe aus Kosmetika oder Milch zu verbannen. Diese Entwicklung ist in Deutschland längst überfällig, und in diesem Sinne stimmt der Satz:

Brustkrebs geht uns alle an!

Martina SchröderAutorin Martina Schröder: Auszug aus CLIO Nr. 69 – die Zeitschrift für Frauengesundheit des FeministischenFrauenGesundheitsZentrums e.V. Berlin, November 2009. weitere Infos und Kontakt über ffgzberlin@snafu.de

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