Neben dem Schambereich, der für uns mit dem Genitale verbunden ist, stellt die Autorin unsere weiteren Schambereiche dar. Von Kopf bis Fuß, vom Dach bis zum Keller, gibt es versteckte Orte, für die wir uns schämen.
Mitte 20 war ich immer seltsam berührt, wenn meine Tanten Worte benutzten, die so gar nicht gebräuchlich waren, „blümerant“ zum Beispiel. Und bei: „unpässlich“ habe ich gern mit den Augen gerollt.
Rückblickend erkenne ich, dass sie mir nur den Spiegel für meine eigene Sprachlosigkeit über das „Untenrum“ vorgehalten haben.
Ich bin mir nicht sicher, ob wir heute offener sind als unsere Mütter.
Und mich würde interessieren, wie mutig frau heutzutage Probleme im Vaginalbereich anspricht. Brennen, Jucken oder Schmerzen beim Verkehr oder bei der Monatsblutung? Und wie wendet sie sich zu? Achtsam? Verständnisvoll?
Ob du nun einen fürsorglichen Zugang zu dir selbst hast oder ihn dir noch aneignen möchtest, bei Netzwerk-Frauengesundheit bist du in besten Händen. Für uns Frauen ist es unschätzbar wichtig, einen geschützten Raum zu haben für Austausch und Fragestellungen.
Gut vorbereitet können wir uns heute anderen Schambereichen zuwenden.
Gibt’s denn noch mehr?! Ja – und ich glaube wir blenden heute mehr Körperbereiche aus als unsere Mütter.
Wenn du deinen Körper mit einem Haus vergleichst, sind Orte der Scham die Zimmer, die nicht wirklich bewohnt werden.
Der Keller
Gehen wir deshalb tiefer. In den Keller quasi. Dort ist es meistens dunkel, manchmal muffig und vielleicht auch feucht: Unsere Füße
– ganz weit weg vom Kopf – an anderen Ende unseres Universums.
Deshalb vernachlässigen wir sie manchmal. Nehmen sie nicht so wichtig wie z.B. unsere Hände und so manche Frau mag ihre Füße gar nicht.
Wenig verwunderlich, dass sich unsere Lieben das irgendwann nicht mehr gefallen lassen:
- Sie zappeln, wenn wir einschlafen wollen bei restless legs oder
- Die Zehen gehen ihre eigenen Wege und
- manchmal stinkt es ihnen ganz gewaltig
Und: je mehr frau sich davor drückt, sich ihren Problemen zuzuwenden, desto dringlicher werden die „Rufe“. Da hilft es auch nicht, die „Kellertür“ abzusperren. Mach einen Termin bei einer Podologin, (speziell ausgebildete Fußpflegerinnen). Sie lieben Füße und helfen dir weiter.
Die Abstellkammer
Jede Frau hat andere Zimmer, die sie nicht bewohnt. Auf dem Weg wieder nach oben, liegt vielleicht eine vernachlässigte „Abstellkammer“. Hier kommt gerne schnell was rein aber selten wird ausgemistet. Auf unseren Körper übertragen, können das Dellen auf unseren Oberschenkeln sein. Ein Hintern, der nicht dem gängigen Modellmaß entspricht oder Hüftspeck.
Für den Hausputz holt frau sich gerne mal Hilfe von außen. Dann ist am Abend, bei der Heimkehr von der Arbeit, alles blitzblank. Aber all die kleinen Dinge haben einen anderen Platz. Eine andere Ordnung, nicht die Ordnung, die du gewohnt bist. Bei chirurgischen Eingriffen, die uns schöner machen sollen, stelle ich mir das so vor: Schön aber fremd.
Wenn frau beim Thema Cellulite deshalb an Fettabsaugen denkt, sollte sie, bevor sie das „Putzkommando“ ordert, bei David Schnarch nachlesen. Der amerikanische Sexualforscher schreibt in seinem Buch „Die Psychologie sexueller Leidenschaft“, dass richtig guter Sex und Cellulite eng beieinander liegen. Die Fähigkeit zur Hingabe nimmt zu, je milder die Selbstkritik ausfällt, die wiederum mit zunehmender Reife einhergeht.
Hinter jeder Tür zu einem verschlossenen Zimmer wartet somit ein Geschenk.
Das Obergeschoss
Gehen wir rasch ein paar Stufen höher und schauen uns im Obergeschoss um: Taille und Busen. Gerade unsere Brust wird ganz häufig nur durch „einen Türspalt“ betrachtet. Von außen also. Rasch bewertet: groß, hängend, flach, operiert…
Gerade unseren Brust-Raum sollten wir wohnlicher gestalten; ja, es uns so richtig gemütlich machen: Lege dazu deine Hände auf deinen Busen und atme in diesen Raum. Belüfte ihn, fülle ihn mit frischem Duft. Belebe ihn. Mach dieses Zimmer zu deinem heiligen Raum. Durch Seufzen schaffst du sofort eine Atmosphäre, in der du dich daheim fühlen kannst.
Wo immer du in deinem Körper Scham empfindest, verfahre so. Lächle, atme, berühre dich.
Auch nach außen hin wollen wir unser Haus tipptopp erscheinen lassen. Ihm gerne auch mal einen anderen Anstrich gönnen. Damit erscheint es belebter, interessanter, jünger, gepflegter – picobello!
Das Dach
Deshalb schließen wir unseren Rundgang durch die Schamgebiete mit Dach und Fassade.
Von außen betrachtet, haben wir auf unserem Haus vielleicht ein Ziegeldach. Mit roten, leuchtenden Dachplatten. Andere haben ein Flachdach und in manchen Gegenden sieht man auch Reetdächer. Wenn die Farben verblassen und es grau durchschimmert, kümmern wir uns auch nicht selbst sondern haben unseren Frisör – äh, Dachdecker.
Die Fassade
Hausbesitzerinnen tun sich schwer, sich wohl zu fühlen, wenn sich ungebeten Kletterranken breitmachen. Unerwünschte Körperbehaarung führt manchmal so weit, dass frau sich ins Bad zurückzieht. Auch hier gibt es Hilfe!
Das Gästeklo
Scham macht uns vergessen, dass uns ein wunderschönes Haus zur Verfügung steht. Scham treibt uns ins Gästeklo.
Aber wie kommen wir da wieder raus?
Scham kannst du nicht überwinden, indem du dagegen ankämpfst. Sie ist wie ein enges Gummiband, das deinen Spielraum einschränkt. Fange an zu pulsieren: Geh einen mutigen Schritt hinein in die Scham. Spüre dich, höre dir zu. Dann gehe wieder hinaus und spüre nach. Rein und wieder raus, wie der Atem.
Anschließend kannst du dir 5 unverschämte Minuten gönnen. Vielleicht willst du allein für dich dreckig lachen. Dich im Spiegel ganz unmanierlich anschauen. Wild tanzen, ohne dich darum zu scheren, ob das schön ausschaut. Auch danach, komme wieder zur Ruhe und spüre nach.
Wenn es für dich besser passt, kannst du das auch schriftlich tun. Geh tief hinein und schreibe, wie sich das Innerste deiner Scham anfühlt, und danach schreibe verboten wilde Worte. Dehne deine Grenzen. Lerne deine Bandbreite kennen. Nimm nach und nach mehr Raum ein und werde zur Herrin in deinem Haus. Parallel dazu hol dir rechtzeitig Hilfe und informiere dich.
Lass uns Kinderlachen in unsere Häuser bringen, Musik und Tanz. Ganz viel frische Luft und Blumendüfte. Lass uns lernen, Gastgeberinnen zu sein, zu empfangen, Liebe aufzunehmen. Mit Lust sowohl Fassade als auch das Innen zu schmücken und zu pflegen.
Ich wünsche dir eine unverschämt glückliche Zeit beim Rundgang durch deinen Körper.
Alles Liebe
Birgit Faschinger-Reitsam
Über die Autorin
Birgit Faschinger-Reitsam bloggt über Gefühle und Körpererfahrung. Sie spricht aus Erfahrung, über ihre Leidenschaft zum Tanz, vor allem zum Tango und der bitteren Erfahrung, durch die Füße ausgebremst zu werden. Ihr Anliegen ist es, ihr über viele Jahre gesammeltes Wissen an Frauen weiter zu geben. Und nomen est omen macht sie als Draufgängerin auch vor heiklen Themen nicht halt.
Kontakt
birgit@draufgaengerin.de
Liebe Ingrid,
ich fühle mich tief geehrt, auf deinem wunderbaren Blog einen Gastartikel veröffentlicht zu sehen. Scham ist mir ein Herzensthema. Sie ist so allgegenwärtig, manchmal unterschwellig und immer hindert sie uns, unser ganzes Potential zu leben. Ich persönlich würde mir wünschen, dass in gynäkologischen Praxen unverschämter über Sexualität gesprochen wird. Leider wird dieses Thema häufig nicht angesprochen. Auch Frauenärzte und Frauenärztinnen schämen sich…
Alles Liebe
Birgit Faschinger-Reitsam