Mutterschaft ist kein automatischer Glücksbringer für alle Frauen. Es gibt sogar Mütter, die ihre Entscheidung für Kinder bereuen, selbst dann, wenn sie ihre Kinder lieben.
Vielen kinderlosen Frauen krampft sich das Herz zusammen, wenn sie fröhliche Mütter ihre Kinderwagen schieben sehen. Der Weg an Spielplätzen vorbei gerät zur Tortur. Das vermeintliche Mutterglück der anderen provoziert hasserfüllte Gedanken, Minderwertigkeitsgefühle und Niedergeschlagenheit. Aber was, wenn dieses Mutterglück nur ein Mythos wäre? Wenn die kinderlosen Frauen wüssten, was für Entbehrungen, Belastungen (finanzieller und emotionaler Art) und Unglück die Mutterschaft bedeuten kann? Wenn sie wüssten, wie die permanente Überforderung, der ständige Spagat zwischen Kindern, Partner und Beruf jegliche Lebensfreude auslöschen kann?
Die israelische Studie
Im Frühjahr 2015 veröffentlichte die israelische Soziologin Orna Donath ihre Studie zum Thema „Regretting Motherhood“ und sorgte damit insbesondere in Deutschland für Aufsehen.
Zwischen 2008 und 2011 fragte Donath israelische Mütter: „Wenn Sie in der Zeit zurückgehen könnten, mit den Erfahrungen und den Kenntnissen, die Sie heute haben, wären Sie dann Mutter geworden?“ Auf diese Frage antworteten 23 Mütter mit „Nein“.
Diese Frauen sind nicht nur kurzzeitig mit ihrer Mutterrolle unglücklich, sondern dauerhaft unzufrieden – sie bereuen es, Kinder bekommen zu haben.
Vermeintlicher Glücksbringer Mutterschaft
Es ist ein gesellschaftlicher Konsens, dass Mutterschaft automatisch ein Glücksbringer für Frauen ist – für alle Frauen. Daher schlug Donaths Studie so hohe Wellen: es war ein Tabubruch, und die Beschreibungen der bereuenden Mütter stellten unser Mutterbild in Frage.
Äußert eine Mutter in unserer Gesellschaft, dass sie unglücklich ist, keine Freude an ihrem Alltag hat oder ihr ein zu hoher Druck und die zu vielen Anforderungen das Leben schwer machen, gilt sie schnell als „unnormal“ oder „krank“.
Dabei ist nicht etwa der Umstand, dass eine Mutter unglücklich mit ihrer Mutterrolle sein kann, so ungewöhnlich und exotisch – aber die Tatsache, dass sie dieses äußert, ist es.
Aktuelle Studie im deutschsprachigen Raum
Im Sommer 2015 habe ich Mütter im deutschsprachigen Raum gesucht, auf die das Phänomen Regretting Motherhood zutrifft. Für mein Buch „Wenn Mutter sein nicht glücklich macht“ habe ich Fragebögen an diese Mütter geschickt und 18 betroffene Frauen in meinem Buch dargestellt und ihre Lebenssituation analysiert.
Bereuende Mütter haben ambivalente Gefühle
Die Mütter, die Donath befragte und auch die Mütter, die ich befragt habe, lieben alle ihre Kinder. Die Mutterschaft zu bereuen bedeutet nicht, dass sie ihre Kinder nicht lieben würden.
Sie unterscheiden viel mehr sehr stark zwischen dem Kind und ihrer eigenen Rolle. Deshalb wünschen sie sich auch nicht tatsächlich, dass ihre Kinder nicht mehr da sein sollten – denn keine spielt mit dem Gedanken, ihr Kind zur Adoption freizugeben. Sie haben also sehr ambivalente Gefühle.
Bereuende Mütter sind nur die Spitze des Eisbergs
Man kann die bereuenden Mütter nicht als Exotinnen auf der einen Seite und alle anderen Mütter auf der anderen Seite sehen. Vielmehr handelt es sich um ein Kontinuum mit fließenden Übergängen.
- An dem einen Pol befinden sich die Mütter, die voll und ganz in ihrer Rolle aufgehen.
- An dem anderen Pol befinden sich die bereuenden Mütter, die durchgängig und langfristig mit ihrer Mutterrolle unglücklich sind.
- Dazwischen befinden sich die meisten Mütter.
Wobei viele Mütter phasenweise den Wunsch verspüren, kurz aus ihrer Rolle auszubrechen, unzufrieden oder überlastet sind, von aufreibenden Situationen mit ihren Kindern entnervt sind und sich eine Pause von ihrer Verantwortung wünschen.
Gibt es die typische bereuende Mutter?
Die Lebensumstände der Mütter sind sehr unterschiedlich. Sie kommen aus allen Schichten. Sie sind alleinerziehend, in einer neuen Partnerschaft oder noch mit dem Vater der Kinder zusammen. Sie haben pflegeleichte, anstrengende oder auch chronisch kranke Kinder. Ihre Zusammensetzung entspricht ungefähr der Zusammensetzung anderer Mütter. Die typische bereuende Mutter gibt es nicht.
Wie wird eine Frau eine bereuende Mutter?
Noch bevor eine junge Frau schwanger wird, sind vier Bedingungen für eine bereuende Mutter erfüllt:
- Sie wächst in einer Gesellschaft auf, in der Kinder zu bekommen ein Standard ist, eine Norm, die nicht hinterfragt wird.
- Sie wird von Menschen aus ihrem Umfeld mit deren Erwartungen konfrontiert: Sie soll doch nun endlich auch ein Kind bekommen.
- Familie, Kinder, Mutterschaft werden ihr von der Gesellschaft – insbesondere von den Medien – als größter Hort von Glückseligkeit verkauft. Ihr Bild vom Alltag als Mutter ist falsch-positiv.
- Ihr wird suggeriert, dass eine Vereinbarung von Familie und Beruf mehr oder minder problemlos möglich ist.
Besonders belastende Faktoren
Als besonders belastend schildern fast alle bereuenden Mütter aus meiner Studie:
- die überhohen Ansprüche und den überkritischen Umgang mit Müttern (auch untereinander)
- die Schwierigkeiten, Job und Familie zu vereinbaren
- die mangelnde Unterstützung durch den Partner
- dass Mutterschaft ein Rund-um-die-Uhr-Job ohne Pause ist.
Weshalb nimmt die Unzufriedenheit der Mütter zu?
Obwohl sich in den letzten 50 Jahren die Stellung der Frau stark verbessert hat, hält sich der Muttermythos hartnäckig, der besagt:
Frauen müssen Mütter werden und Mütter müssen glücklich sein.
Dabei haben die Anforderungen, die an Mütter gestellt werden, in den letzten zwanzig Jahren enorm zugenommen. Nicht zufällig genau in der Zeit, in welcher Mütter begonnen haben, gegen das jahrelange zu Hause bleiben zu rebellieren. Es handelt sich um eine antifeministische Gegenreaktion auf die Frauenbewegung der 1970er Jahre.
Mütter sollen die Kinder fördern, alle Sinne anregen, Schadstoffe und alle Produkte, die laut diversen Warentests als bedenklich gelten, von ihren Kindern fernhalten, alles aufwändig selber backen, kochen und basteln. Die Mutterschaft unterliegt einer starken Professionalisierung. So wundert auch nicht, dass die Vielzahl der Kurse für Mütter zugenommen hat.
Diskrepanz zwischen den eigenen Bedürfnissen und den Erwartungen der Gesellschaft
Mütter leiden unter diesem traditionellen Mutterbild. Ganze 96% der Mütter wollen berufstätig sein. Hauptsächlich verantwortlich für die Unzufriedenheit von Müttern ist der Zwiespalt zwischen ihren eigenen Bedürfnissen und den Anforderungen, die die Gesellschaft an sie stellt.
Je höher die Ansprüche an Mütter sind, je vielfältiger ihre Aufgaben, umso schwerer wird es, diesen gerecht zu werden. Mütter müssen sich daher ständig als scheiternd und defizitär erleben.
Mehrfachbelastung setzt Mütter unter Stress
Die Mütter sehen sich zudem einer Drei- oder Vierfachbelastung ausgesetzt:
- Der Großteil des Haushaltes wird von ihnen erledigt. In manchen Partnerschaften sind sie sogar allein für den Haushalt zuständig.
- Die Kindererziehung obliegt größtenteils ihnen.
- Das Organisieren, Zusammenführen und aufeinander Abstimmen aller Aufgaben und Termine der Familienmitglieder bezeichnet die Soziologie als Vereinbarkeitsmanagement. Dieser Aufgabenkomplex fällt fast immer in die Verantwortung der Mütter.
- Mütter kümmern sich um ihr eigenes berufliches Vorankommen.
Zwei Gruppen bereuender Mütter im deutschsprachigen Raum
Bei der Analyse der Fragebögen wird deutlich, dass es zwei Gruppen von bereuenden Müttern gibt:
- Die einen haben von Beginn an Zweifel an ihrem Kinderwunsch oder beschreiben, dass sie eigentlich keine Kinder gewollt hätten, sich allerdings dem gesellschaftlichen Zwang gefügt haben.
- Die andere Gruppe hat nach und nach bemerkt, dass die Entbehrungen und Belastungen, die das Leben mit Kind(ern) mit sich bringt, sie unglücklich machen und zu stark ihre eigenen Bedürfnisse und Freiheiten beschneiden.
Kinderlose Frauen werden unter Druck gesetzt
Der Mythos, die Mutterschaft würde eine Frau in jedem Fall absolut glücklich machen, wirkt sich nicht nur auf Mütter aus. Kinderlose Frauen werden mit diesem Mythos ebenfalls stark unter Druck gesetzt. Denn dieser wirkt in zwei Richtungen.
Einerseits beinhaltet der Muttermythos die Vorstellung, alle Frauen könnten durch das Mutter-Werden in einen permanenten Zustand Glückseligkeit gelangen.
Andererseits gehört zum Muttermythos aber auch der Aspekt der Ausschließlichkeit dazu: Frauen können eben auch NUR über die Mutterschaft tatsächlich glücklich werden.
Im Umkehrschluss bedeutet dies selbstverständlich, dass Frauen, die keine Kinder bekommen, nie wirklich glücklich sein können.
Die Kinderfrage ist eine Frauenfrage
Dabei hat die Diskriminierung kinderloser Frauen eine lange Geschichte. Und auch heutzutage wird bei dem Thema Kinderlosigkeit und Geburtenrate fast immer auf die Rolle der Frauen verwiesen.
Die Rolle der Männer wird gar nicht oder wenig thematisiert. Kinder zu bekommen oder nicht scheint im öffentlichen Bewusstsein immer noch eine Frauenfrage zu sein. Die »Schuld« an der niedrigen Geburtenrate wird damit den Frauen zugeschoben. Nach wie vor ist die Einstellung weit verbreitet, dass nicht nur das Umsorgen des Nachwuchses, sondern auch die Frage, ob und wann man Nachwuchs zeugt, vollständig in der Verantwortung der Frauen liegt.
Regretting Motherhood kein rein individualpsychologisches Phänomen
Die Unzufriedenheit von Müttern mit ihrer Mutterrolle oder sogar das Bereuen der Mutterschaft ist kein individualpsychologisches Phänomen. Die politischen Rahmenbedingungen in einer Gesellschaft können das Phänomen »Regretting Motherhood« verstärken oder abmildern.
Damit möchte ich in keinem Fall den Muttermythos stärken und behaupten, dass eine glückliche Mutterschaft in jedem Fall machbar ist. Wir müssen verstehen und akzeptieren, dass es Frauen (und Männer) gibt, die auch unabhängig von den gesellschaftlichen Umständen, in denen sie leben, keine Kinder bekommen wollen und sich nicht als Eltern sehen.
Forderungen an die Politik
Dennoch können die Rahmenbedingungen zum Beispiel durch folgende Maßnahmen für Mütter verbessert werden:
- Ausbau der Betreuungsplätze – insbesondere auch für Schulkinder
- Senkung und bundesweite Angleichung der Betreuungsgebühren
- Einführung eines Wiedereingliederungsmanagements für Mütter nach der Familienphase
- Einführung des Vaterschutzes wie von der EU gefordert
- Abschaffen der Still-Gesetze und des Ehegatten-Splittings
Ratschläge und Tipps für unglückliche Mütter
Mütter sollten ihre Gefühle beobachten und versuchen, herauszufinden, wo ihre persönlichen »Glücksbremsen« liegen. Nur wer so detailliert wie möglich weiß, was ihn stört und stresst, kann nach passgenauen Lösungen suchen und beispielsweise bestimmte Aufgaben reduzieren, delegieren oder vereinfachen.
Wichtig ist auch, die Ansprüche an sich selbst herunterzuschrauben und sich zu fragen „Was kann und will ich leisten?“ statt „Was soll ich leisten?“
Alles, was an Hilfen und Ressourcen auch im eigenen sozialen Netzwerk zur Verfügung steht, sollte in Anspruch genommen werden.
Väter sollten sich mehr einbringen und gemeinsam mit der Mutter überlegen, wie sie entlastet werden kann.
Natürlich kann damit nicht ausgeschlossen werden, dass Mütter ihre Mutterschaft bereuen. Aber eine Entlastung der Mütter führt in jedem Fall zu mehr Wohlbefinden.
Über die Autorin
Christina Mundlos hat bis 2009 Soziologie und Germanistik mit dem Schwerpunkt Geschlechterforschung an der Universität Kassel studiert. Von 2009-2014 war sie Mitarbeiterin im Gleichstellungsbüro der Leibniz Universität Hannover – zuletzt als Leiterin des Familienservicebüros. Zudem ist sie seit 2009 als freie Autorin tätig. Zuletzt erschienen von ihr „Mütterterror – Angst, Neid und Aggressionen unter Müttern“ (2013), „Gewalt unter der Geburt – Der alltägliche Skandal“ (2015) und „Wenn Mutter sein nicht glücklich macht – Das Phänomen Regretting Motherhood“ (2015).
Christina Mundlos ist 34, lebt in Hannover und hat zwei Kinder (5 und 9 Jahre)
Kontakt
E-mail: Christina.Mundlos@gmx.de
Buchempfehlung von der Redaktion
Wenn Muttersein nicht glücklich macht
Die Autorin Christina Mundlos greift in ihrem Buch „Wenn Muttersein nicht glücklich macht“ erneut ein Thema auf, das in unserer Gesellschaft noch gar nicht präsent ist. Die Mutterschaft ist gesellschaftlich erwünscht (die Geburtenrate muss steigen, wer wird sonst unsere Renten sichern?), Kinder sind niedliche Geschöpfe, eigene Kinder geben dem Leben einen Inhalt und Sinn (zumindest einem Frauenleben).
In dem Buch wird der Wandel der Mutterrolle in unserer Gesellschaft beschrieben. Die Autorin führte strukturierte Interviews mit Müttern durch, die sie über Netzwerke gefunden hatte und die zugaben, mit ihrer Mutterschaft Probleme zu haben. Die Analyse der Interviews zeigte, dass es nicht die typische unglückliche Mutter gab, sondern dass es sich um ein breites Spektrum von Frauen handelte, die durch ein falsches Mutterbild, Druck des sozialen Umfeldes und hohe Ansprüche an sich selbst überfordert wurden.
Mundlos schlägt Lösungen vor, die allen Frauen die Entscheidung für oder gegen Kinder erleichtern soll. Sie mahnt Unterstützung für die Mütter an. Auch gibt sie Tipps, wie sich die Vereinbarkeit von Beruf und Kinderzeit verbessern lässt. Sie weist auf Ressourcen hin, die genutzt werden können, um das Mutter (oder Vater) -Sein wertschätzen zu können.
Ihrem Appell an alle Mütter möchte ich mich anschließen:
- Lassen Sie sich weder als Rabenmutter abstempeln, noch versuchen Sie ständig, in allem perfekt zu sein.
- Wenn Ihnen die Kinder und alle Ihre Verpflichtungen über den Kopf wachsen, suchen Sie sich Hilfe.
- Geben Sie ruhig zu, wenn Ihre Kinder oder andere anscheinend perfekte Mütter Sie nerven.
- Sprechen Sie offen über Ihr Unglücklichsein. Sie werden sich wundern, wie viele ihrer Geschlechtsgenossinnen ebenfalls phasenweise ihre Mutterschaft bereuen.
Stößt dieser Artikel auf Ihr Verständnis? Kennen Sie auch bereuende Mütter? Beschreiben Sie Ihre Meinung oder Ihre Erfahrungen doch in einem Kommentar!
Ich bin mir ziemlich sicher, dass ich eine bereuende Mutter geworden wäre, hätte ich ein Kind bekommen. Ich hatte zwar eine schöne Kindheit, aber ich bekam auch mit, welche Opfer meine Eltern für mich und meine Schwester brachten. Als wir beinahe zeitgleich auszogen war ich ehrlich geschockt, wie viel sich meine Eltern plötzlich leisten konnten und auch, welche Freiheiten sie nun hatten. Ich war gar nicht so auf Geld und Karriere aus, aber Freiheit war und ist mir immens wichtig. Die Vorstellung, jahrelang rund um die Uhr für ein Kind auf „Standby“ zu sein, empfand ich als gruselig. Ich fand einen Partner, der nicht unbedingt Kinder zu seinem Glück brauchte, aber ich war großem Erwartungsdruck ausgesetzt. Als Erstgeborene hörte ich oft die Frage meiner Eltern, wann wir endlich „loslegen“ würden, sie wollten unbedingt Oma und Opa werden. Das Leben wäre sinnlos ohne Nachkommen, für die man doch alles macht und im Alter wäre ich ohne Kinder alleine. Mein Vater ist ein absoluter Familienmensch und konnte sich gar nicht vorstellen, dass man ohne Kinder sein möchte. Ich bin absolut keine Kinderhasserin, ganz im Gegenteil, ich kann mich durchaus darüber freuen, wenn hier im Dorf die Kinder durch die Straßen toben. Aber ich merkte: Ein Kind ist nichts für mich und mein Leben. Weder geriet ich beim Anblick eines Babys in Verzückung noch mochte ich mich mit Kleinkindern befassen, mit ihnen zu spielen fand ich einfach nur öde. Mit Kindern ab ca. 10 Jahren konnte ich schon eher etwas anfangen. Das stellte ich bereits im Jugendalter fest und es ist bis heute so geblieben. Mir fehlt wohl ein Gen. ;-) Eine ältere Arbeitskollegin erzählte mir, als ich Mitte 20 war, dass sie genauso empfand, dass sie und ihr Mann sich trotz des großen familiären Drucks ebenfalls gegen Kinder entschieden hatten und es nie bereut haben. Dank ihres Erfahrungsberichtes hielt ich dem Druck stand, denn es wurde fast schon vorausgesetzt, dass man eine Familie gründet, wenn man verheiratet ist. Der Druck innerhalb der Familie endete erst, als meine jüngere Schwester für Nachwuchs sorgte. Der Druck der Gesellschaft hielt länger an, ob Jobwechsel, Vereinsbeitritt oder Hauskauf, fast immer kam die Frage „Habt ihr Kinder?“ und beim Verneinen folgte oft ein leicht entsetztes „Wollt ihr denn keine?“ und darauf „Warum denn nicht?“. Interessanterweise werden Männer viel seltener gefragt und ihr „Nein“ zum Kind wird auch sehr schnell akzeptiert, sie müssen es fast nie begründen. Auf die „tickende biologische Uhr“ wartete ich in den 30ern vergebens, ich habe nie einen Kinderwunsch verspürt. Heute bin ich 54 Jahre alt, seit 31 Jahren immer noch glücklich verheiratet und ich bereue es nicht, keine Kinder in die Welt gesetzt zu haben. Es fühlt sich alles richtig an. Nur auf den vielen Druck hätte ich früher gut und gerne verzichten können. Ich hoffe, die heutige Generation Frauen ist dem nicht mehr ganz so ausgesetzt. Damit es weniger bereuende Mütter gibt, denn das stelle ich mir wirklich schrecklich vor, man lebt ja nur einmal.
Zunächst Danke für diese informative und aktuelle Plattform und Ihre persönliche Beantwortung der angedruckten Kommentare, Frau Prof. Gerhard!
Ich freue mich, dass das Thema Mutterglück/ bereuende Mütter weiterhin Aufmerksamkeit bekommt und versuche hier daher, meine langjähr. Erfahrungen zusammenfassen. Nach unkomplizierter, freudiger Schwangerschaft u unauffälliger Amniozynthese (ü35J.) stellte sich nach Geburt unserer Tochter eine spina bifida occulta heraus. 2 Monate Klinik mit Komplikationen wie Windel dermatitis mit Ulcus und vielen Untersuchungen heraus. Einher damit die Prognose, dass das gutart. Geschwulst am Rückenmark irgendwann wegoperiert werden muss, um eine tröpfelblase u weitere nervliche felhfunktionen abwärts zu verhindern. Noch in der Klinik willigte ich ein, an einer Studie zu Müttern mit Depressionen oä nach Geburt teilzunehmen, das fand ich fortschrittlich u fing an. Aus zeitgründen u weil es mich nicht voranbrachte, sondern eher runterzog, füllte ich nur 2x die Bögen aus.
Die ersten 2-3 Jahre gabs soviel Sorgen wie Arbeit mit dem sonst aufgeweckten Kind. HW-Infektionen zogen sich bis zum 15. Lebensjahr, 4x tägl. Kathetern, da die Blase nicht gut funktioniert. Tolle Entwicklung (aber ich?!)
Neben der ärztl. Begleitung erhielt ich Unterstützung durch eine angeschlossene Betreuung der betroffenen Mütter, die so gut war, dass wir uns – nach genetischer Untersuchung – zu einem weiteren Kind entschlossen – mittlerweile ein freudiger 12 jähr. Sohn! Die letzten Jahre waren teils schwierig und arbeitsreich, aber ich konnte mich bisher voll der Familie widmen, das 2. Kind war auch wichtig für einen stabile Familie, ohne Prinzessin.
Dennoch überlege ich manchmal, wie viel einfacher alles wäre ohne die o.g. Komplikationen u was aus mir beruflich geworden wäre, wenn ich a) früher u b) 2 gesunde Kids bekommen hätte. Das Thema – muss man jedes behinderte Kind bekommen? – sprengt den Rahmen, dennoch bin ich kein Freund von zB extrem Positionen, dass eine Frau nicht die Wahl hätte, sich gegen ein Kind mit komplizierter Behinderung zu entscheiden. Die Familie, Ehe kann zu sehr leiden.
Wir sind ein gutes Team, Der „fleißige, witzige Papa“ hinterfragt das Schicksal nie, wir sind ja auch ein gutes Team… dennoch bleibt mir ein großes ?, wie sich unsere Partnerschaft belebt u ob Innigkeit „nachgeholt“ werden kann, wenn man nur noch zu zweit ist und das Gröbste gemeistert ist.
Ich hatte keine Wahl, soviel geben zu müssen, aber UNTERM STRICH finde ich trotz allem, ist es ein absolut spannendes Dauerprojekt, Kinder auf ihrem Weg ins Groß-Werden begleiten zu können und sie täglich zu fördern.
Liebe Catarina,
das haben Sie sehr schön und treffend dargestellt. Sie haben die Zeit mit dem kranken und gesunden Kind ja als Familie wunderbar gemeistert. Das Thema „was wäre gewesen, wenn“ beschäftigt jede Frau in Ihrem Alter, sowohl die, die viel für ihre Familie gopfert haben, als auch die, die sich gegen Kinder entschieden haben. Ihre beiden sind jetzt so groß, dass Sie getrost Verantwortung abgeben können und sicher auch ohne herausragende berufliche Karriere noch Möglichkeiten finden werden, ihre eigenen Bedürfnisse und Wünsche zu erfüllen. Vielleicht sogar gemeinsam mit ihrem Mann, denn eine Partnerschaft lässt sich jederzeit mit good will von beiden Seiten wiederbeleben. Viel Glück und danke für den konstruktiven Beitrag, der zum Nachdenken anregt
Schon von klein auf war ich gerne mit kleineren Kindern zusammen, habe mein Geld durch Babysitten verdient und meine Zeit gerne mit Kindern verbracht. Jeder meinte, ich solle doch Erzieherin werden. Nach meinem Abitur fand ich, dass man da zu wenig verdient und nicht genug anerkannt wird. Als ich anfing Marketing zu studieren, rechnete ich mir aus wie lange ich studieren und arbeiten müsste, bis ich endlich Kinder haben könnte. Meine Mutter war selbst eine eher junge Mutter und ich wollte niemals eine alte Mutter sein.
Jetzt bin ich Ende 30 und mein Mann und ich versuchen seit vier Jahren Kinder zu bekommen. Auch das „Loslassen“ und „Abschalten“ hatten ich zwischendurch gut drauf, weil ich weiß, dass Kinder anstrengend sein können. Mein Beruf erfüllt mich nicht wirklich, ich bin eigentlich gerne zu Hause. Klappt es noch? Würde es mich überfordern eine Mutter zu sein? Ich weiß es nicht.
Was mir im Herzen weh tut, ist, dass so viel darüber gesprochen wird, welche Belastung Kinder darstellen. (Was sie ja durchaus sind)
Aber sie können eben auch ein Geschenk sein, durch das man viel lernen kann – z.B. die Welt mit anderen Augen zu sehen.
Liebe Myra,
Sie haben völlig Recht, genau aus dem Grund habe ich mein Leben lang Forschung bei unerfülltem Kinderwunsch gemacht und Paare mit Kinderwunsch beraten. Ich selber habe glücklicherweise meine Kinder sehr jung bekommen, noch während der Ausbildung, weil ich fand, dass Kinder junge Eltern mit guten Nerven haben sollten. Und mein Leben wäre leer gewesen ohne Kinder. Ich hätte vielleicht ohne Kinder leichter eine große Karriere machen können, aber das stand nie zur Debatte. Noch immer bin ich jeden Tag dankbar für meine Kinder und inzwischen Enkelkinder. Sie sind die wichtigen Geschenke unseres Lebens! LG
Für manche scheinen sie halt nicht die richtigen Geschenke zu sein.
Es spricht mir aus der Seele. Wenn ich die Zeit zurück drehen könnte, würde ich mich gegen Kinder entscheiden. Ursprünglich hatte ich gar keinen Kinderwunsch. Und berufliche Wünsche, die durch die Kinder unerfüllt blieben. Abhängigkeiten kommen noch dazu. Auch für die Partnerschaft sind Kinder keine Bereicherung.
Liebe Pam,
klingt bitter, aber nachvollziehbar! Den letzten Satz kann ich so nicht stehen lassen, denn für viele Partnerschaften ist die Liebe zu und von den Kindern durchaus eine Bereicherung. LG