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Mit dem Kleingedruckten auf Waschzetteln von Medikamentenpackungen ist es ja so eine Sache: liest man sie, versteht man nur die Hälfte und ist verunsichert, liest man sie nicht, weiß man nicht, mit was für Nebenwirkungen man rechnen muss. Dann kann einem passieren, dass die Medikamente nicht wirken, weil man nicht wusste, dass man bestimmte Nahrungsmittel oder andere Medikamente nicht gleichzeitig nehmen darf, oder dass Erkrankungen auftreten, die man hätte verhindern können. Von so einer Erkrankung möchte ich Ihnen jetzt berichten.

Bisphosphonate sind Medikamente, die in den Knochen- und Kalziumstoffwechsel eingreifen. Es handelt sich um Phosphorverbindungen, die, einmal im Knochen angelangt, viele Jahre dort verbleiben und den Knochenabbau verhindern. Sie hemmen die Aktivität der Knochen abbauenden Zellen, der Osteoklasten, und verkürzen ihre Lebensdauer. Sie fördern auf indirektem Weg den Aufbau von neuem Knochen. Außerdem hemmen sie das Anhaften von Tumorzellen im Knochen, so dass Knochenmetastasen verhindert werden. Sie beeinflussen Entzündungs- und Nervenzellen im Knochen, was die Schmerzen bei Knochenmetastasen verringert. Wegen dieser vielen erwünschten Wirkungen werden Bisphosphonate immer häufiger eingesetzt: zur Behandlung der Osteoporose, bei Patienten mit Brustkrebs oder Prostatakrebs, bzw. multiplem Myelom zur Verhütung oder Behandlung von Metastasen.

In den vergangenen 10-20 Jahren wurden immer neue Verbindungen dieser Substanzgruppe entwickelt, deren Wirkungsstärken sich um das bis zu 20.000-fache unterscheiden. Heute kann deshalb sehr individuell therapiert werden: mit Tabletten, die täglich oder nur monatlich eingenommen werden müssen, oder mit Infusionen, die in verschiedenen Zeitintervallen wiederholt werden.

Als ich vor einigen Wochen meinen Zahnarzttermin wahrnahm, verließ eine Patientin mit ganz schiefem Gesicht gerade das Behandlungszimmer. Mein Zahnarzt fragte: „Hoffentlich haben Sie nicht auch eine Osteoporose?“ Wir kamen ins Gespräch, und er berichtete mir, dass auf den Zahnarztkongressen immer häufiger über entzündete und zerstörte Kieferknochen referiert würde, als deren Ursache man die Bisphosphonattherapie herausgefunden habe. Zwar war mir diese Nebenwirkung aus der Literatur und dem Kleingedruckten bekannt, aber ich ging davon aus, dass dies so selten war, bzw. nur unter sehr hoher Dosierung auftreten würde, dass der normale Patient nichts zu fürchten hätte. Mein Zahnarzt belehrte mich eines Besseren und bot sich an, den Lesern meines Webmagazins seine Ratschläge weiter zu geben.

„Bisphosphonate und Mundgesundheit“

von Zahnarzt Dr. Christian Haas

zähne4Eine besondere Affinität besitzen die Bisphosphonate zum Kieferknochen, was zu schwerwiegenden Komplikationen bei operativen zahnärztlichen Eingriffen führen kann. Man nimmt an, dass bei 3 bis mehr als 10% der Tumorkranken unter Bisphosphonattherapie eine Entzündung des Kieferknochens auftreten kann. Das Risiko ist erhöht, wenn das Immunsystem sehr geschwächt ist, gleichzeitig Behandlungen mit Chemotherapie, Strahlen oder Cortison nötig sind oder wenn bereits Entzündungen im Mundraum bestehen. Insbesondere chronische Zahnfleischentzündungen mit Taschenbildung und vielen Bakterien sind gefährlich. Das Risiko scheint auch abhängig von der Art des Bisphosphonats zu sein, der Dosierung und der Dauer der Therapie. Frauen, deren Osteoporose mit Bisphosphonaten behandelt wird, in der Regel mit Tabletten, haben ein viel geringeres Risiko als Tumorpatienten. Und auch bei Frauen mit Brustkrebs liegt es mit etwa 3% niedriger als bei Erkrankungen des Knochenmarks.

Diese Entzündungen des Kieferknochens, Kiefernekrosen oder Osteonekrosen, können spontan auftreten, ohne besondere Schmerzen zu bereiten. Oft fällt nur ein sehr schlechter Mundgeruch durch das abgestorbene Gewebe auf. Bei Operationen im Kieferbereich, wie Extraktionen, Osteotomien oder Resektionen, kann es dazu kommen, dass die Bisphosphonate die Knochenheilung unterdrücken. Es können sich dann Infektionen mit anschließenden Absterbeprozessen (Nekrosen) des Kieferknochens entwickeln. Diese breiten sich mit der Zeit über weite Bereiche des Kieferknochens aus. Als Therapie bleibt dann nur die vollständige Entfernung des betroffenen Kieferknochens, was erhebliche Probleme im Mundbereich und natürlich auch kosmetische Beeinträchtigungen mit sich bringt.

Um es nicht so weit kommen zu lassen, ist es wichtig, dass sich Patienten, die sich in einer Bisphosphonattherapie befinden, oder bei denen eine Bisphosphonattherapie geplant ist, der speziellen Risiken bewusst sind. Hier ist als erstes eine Aufklärung durch den behandelnden Arzt erforderlich. Er kann Ihnen aus dem Internet einen Laufzettel herunterladen, in den er Ihre Therapie einträgt und den Sie dann zu Ihrem Zahnarzt mitnehmen können.

Paradontitis

Paradontitis

Aus zahnärztlicher Sicht ist es nämlich wünschenswert, wenn erkrankte Patienten vor einer Osteoporose- bzw. Tumortherapie mit geplanter Bisphosphonatgabe ihren Zahnarzt aufsuchen, um erforderliche Eingriffe vorab zu erledigen. Ein Zeitraum von 4 Wochen vor Therapiebeginn sollte nicht unterschritten werden, da sich auch im Nachhinein Komplikationen ergeben können.

Müssen während oder nach einer Bisphosphonattherapie (bis zu 4 Jahren nach Absetzen!) operative zahnärztliche Behandlungen durchgeführt werden, so ist äußerste Vorsicht geboten. Die chirurgische Behandlung sollte von erfahrenen Mund-Kiefer- und Gesichtschirurgen durchgeführt werden. Eine antibiotische Abdeckung und eine besonders schonende Operationstechnik sind dringend erforderlich. Grundsätzlich sollte kleineren Eingriffen der Vorzug gegeben werden. Es sollte alles getan werden, um die Zähne zu erhalten und nur in unvermeidlichen Fällen operiert werden.

Wie Sie Ihre Zahngesundheit und Ihren Kieferknochen erhalten können:

· Informieren Sie bei jedem Zahnarztbesuch Ihren Zahnarzt über Ihre Medikamente, bes. über die Behandlung mit Bisphosphonaten

· Halten Sie eine sehr gute Mundhygiene ein: 2-3xtägl Zähne putzen, 1x incl. Zahnseide und/ oder Interdentalbürstchen. Auch Mundspüllösungen können hilfreich sein.

Merken Sie sich: Ein sauberer Zahn wird seltener krank.

· Machen Sie alle drei Monate einen Zahnarzt-Check und alle 6 Monate eine Kontrolle bei der Zahnhygienikerin

· Haben Sie Zahnschmerzen oder eine Entzündung im Mundraum, halten Sie nicht lange aus, sondern gehen Sie frühzeitig zum Zahnarzt. Das gilt auch, wenn es sich „nur“ um Prothesen-Druckstellen oder einen wackeligen Zahn handelt

· Bei schlecht heilenden Knochenwunden nach einem Zahnarztbesuch unverzüglich zur Kontrolle gehen, ev. Zweite Meinung einholen

Welche Eingriffe problemlos vorgenommen werden können:

· Füllungen

· Wurzelkanalbehandlungen

· Überkronungen

· Professionelle Zahnreinigung

Bei welchen Behandlungen Sie vorsichtig sein müssen:

· Bei allen Eingriffen, die den Kieferknochen berühren, genau abwägen, ob sie momentan erforderlich sind, und mit Antibiotika vorbehandeln

· Zahnextraktionen

· Zahnimplantate

· Paradontitisbehandlung

Besprechen Sie mit Ihrem Endokrinologen oder Onkologen die Bisphosphonattherapie und mögliche Alternativen, damit Sie von den positiven Wirkungen profitieren können und von den Nebenwirkungen verschont bleiben.

haasDr. med. dent. Christian Haas

1989 Abitur in Heidelberg

1996 Staatsexamen in Ulm

seit 2006 niedergelassener Zahnarzt in eigener Praxis in Heidelberg

Sein Tätigkeitsschwerpunkt liegt im Bereich der Parodontitistherapie

“Mundgesundheit ist mein größtes Ziel“

Brückenkopfstrasse 1/2

69120 Heidelberg

Tel: 06221-985138

www.zahnarzt-drhaas.de

info@zahnarzt-drhaas.de

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