Mit rund 72.000 Neuerkrankungen jährlich ist Brustkrebs die mit Abstand häufigste Krebserkrankung bei Frauen in Deutschland.

Doch nicht jede Patientin benötigt die gleiche Therapie. Während früher noch fast jede Patientin eine prophylaktische Chemotherapie erhielt, gibt es heute Tests, mit denen herausgefunden werden kann, welcher Frau diese belastende Therapie erspart werden kann. In den vergangenen zwei Jahren konnten nahezu alle Patientinnen, für die dieser Test in Frage kam, modernste Diagnostik in Anspruch nehmen.

Doch im Juni diesen Jahres wurde beschlossen, dass gesetzlich versicherte Patientinnen diese Tests nicht mehr nutzen dürfen. Dies ist ein herber Rückschlag für eine individuelle Behandlung von an Brustkrebs erkrankten Frauen.

Auf Grund dessen habe ich mich dazu entschlossen, eine Petition an den Deutschen Bundestag einzureichen mit der Aufforderung, diese Entscheidung rückgängig zu machen.

Brustkrebs tritt wesentlich früher auf als die meisten anderen Krebsarten. Die Hälfte der betroffenen Frauen erkrankt vor ihrem 65.Lebensjahr, jede zehnte ist bei Diagnosestellung jünger als 45 Jahre – ein Alter, in dem die meisten übrigen Krebserkrankungen zahlenmäßig noch kaum eine Rolle spielen!

Was ich während meiner Chemotherapie erlebte

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Eine dieser 10 Frauen jünger als 45 Jahre war ich 2010, mit gerade mal 41 Jahren.

Ab diesem Tag begann für mich eine Talfahrt des Schreckens und vieler Ungewissheiten. Auf Grund der Aggressivität meiner Tumore war von Anfang an klar, dass mir eine Chemo nicht erspart bleiben wird. Die Ärzte entschlossen sich bei mir zu einer sogenannten TAC Chemo.

Nach meiner ersten Operation bezüglich Bestimmung der Wächterlymphknoten und Portimplantation, bekam ich am folgenden Tag die erste von sechs Chemozyklen. Ich versuchte mir jeden einzelnen Tropfen, der durch den Port in meinen Körper lief, als meinen Gesundmacher vorzustellen. Dass jeder Tropfen mich meiner Heilung ein Stück weit näher bringen würde – trotz aller Nebenwirkungen, die sie unter Umständen mit sich bringen würde.

Diese waren in den kommenden Wochen und Monaten nicht wenige. Nach der ersten Chemo reduzierten sich meine Leukozyten auf unter 300 Zähler (normal über 4.000). Meine Entzündungswerte stiegen in ungeahnte Höhen an. Mehrere Tage verbrachte ich auf einer Umkehrisolierstation einer Klinik, da jeder Infekt tödlich für mich hätte verlaufen können.

Meine Haut war übersät mit schmerzhaften Entzündungen, einschließlich meiner Operationswunden, wovon sich der Sentinelschnitt in meiner Achsel bis nach der Zeit der Chemo nicht erholen sollte.

Über die gesamte Verlaufszeit der Chemo wurde ich von immer wiederkehrender Übelkeit und Erbrechen geplagt, gegen die kein noch so gutes Medikament wirkliche Linderung bringen sollte. Mein Geruchssinn wurde extrem empfindlich, mein Geschmackssinn verlor sich.

Auf Grund dessen, dass die Schleimhäute bei vielen Chemotherapien stark angegriffen werden, wurden meine Schleimhäute sehr empfindlich, trockneten aus, fingen dadurch schnell zu bluten an und brachten meine Darmtätigkeit in arge Bedrängnis. Meine Nägel wurden trotz aller Gegenmaßnahmen zunehmend dünner und schmerzempfindlicher.

Zusätzliche Medikamente, die meine Leukozyten davor schützen sollten, erneut nach einer jeden Chemo abzubauen, verursachten starke Knochen- und Muskelschmerzen. Stellenweise hatte ich keine Kontrolle über meine Muskeltätigkeit mehr. Meinem mehrfachbehinderten Sohn seine Hosen zum Beispiel zu schließen, war mir zum Schluss der Chemo nicht mehr möglich.

Meine Herzleistung reduzierte sich über die Monate hinweg, trotz dessen, dass ich nach wie vor leichten Sport ausübte, wie Yoga, und viel zu Fuß unterwegs war, soweit mir dies möglich war.

Kognitive Fähigkeiten verloren sich, generell zunehmend konditionelle Leistungen und Belastbarkeiten, die den Alltag von Familien von eben auf jetzt in ordentliche Turbulenzen bringen und vieles nicht mehr möglich sein lassen.

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Mein Körper wurde von heute auf jetzt mit 41 Jahren in die Wechseljahre versetzt, mit allen Begleitsymptomen.

Durch die Chemo entwickelte sich bei mir eine schmerzhafte und nicht heilbare Polyneuropathie in meinen Extremitäten, die mich noch heute beschäftigt.

Meine langen hellblonden Haare zu verlieren, war bei all dem das kleinste Übel. Wenn ich sie auch sehr vermisste über all die Zeit, die ich als Glatzköpfchen verbrachte.

Diese und manch andere Nebenwirkungen hatte ich unter der Zeit meiner Chemo – einige waren einfach nur lästig, andere waren sehr belastend.

Jeder Brustkrebs ist anders, aber jede Frau erlebt ihn ähnlich

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Viele Frauen, die eine Brustkrebserkrankung erlebten und mit denen ich in den letzten Jahren seit meiner Erkrankung intensive Gespräche führte, erzählen von ganz ähnlichen Erfahrungen.

Viele stehen körperlich und psychisch an den Grenzen ihrer Belastbarkeit und müssen sich erst mühsam wieder zurück in ihr gewohntes Leben einbringen, wenn die Zeit der Akuttherapien beendet ist.

Und dennoch betrachten die meisten von uns diese Erfahrungen als ein notwendiges Übel, um möglichst wieder gesund zu werden und unser Leben gewohnt aufnehmen zu dürfen. Auch wenn es für viele von uns nie mehr so sein wird, wie es für uns vor der Erkrankung einmal war. Zu tief sitzt die Angst und Unsicherheit im tiefsten Selbstverständnis einer jeden von uns.

Viele von den betroffenen Frauen konnten unter ihrer Chemo eine Komplettremission erfahren, dies bedeutet, dass sich ihre Tumore bei einer neoadjuvanten Chemo komplett zurückentwickelten.

Viele von uns erkrankten an einer sehr aggressiven Form von Brustkrebs, oft mit befallenen Lymphknoten oder HER2 Rezeptoren oder einem sogenannten Tripple Negativen Tumor. Dies bedeutet für die betroffenen Frauen, dass ihnen nach ihrer Standardtherapie wie einer Chemo, Operationen und je nach Art der Operation einer anschließenden Bestrahlung, keine weiteren Behandlungsmöglichkeiten offen stehen.

Glück im Unglück

Doch es gibt auch Patientinnen, die in diesem Schockmoment ihrer Diagnose das große Glück im Unglück haben, dass ihre Tumore hormonpositiv sind und sie von einer entsprechenden antihormonellen Tablettentherapie, von derzeit empfohlenen 5-10 Jahren, einen großen Vorteil haben.

Diese Therapie ist oft so wirksam, dass sie auf eine belastende Chemotherapie und all ihre Folgen verzichten können. Anhand der klinischen Daten werden diese Patientinnen in Risikogruppen eingeteilt.

  • Niedriges Risiko bedeutet keine Chemo,
  • hohes Risiko bedeutet Chemo.
  • Doch etwa jede dritte Patientin gehört zu einer mittleren Risikogruppe, evtl. erneut zu erkranken. Hier entscheidet eine Tumorkonferenz von mehreren Fachärzten anhand ihrer Erfahrungen, Chemo ja oder nein.

In der Regel wird dann aber MEIST eine Chemo empfohlen, weil man es ja nicht besser weiß und der Patientin eine evtl. Folgeerkrankung möglichst ersparen möchte.

Der Genexpressionstest

Doch mit den Genexpressionstests, um die es in unserer Petition geht, kann man diese mittlere Risikogruppe klar aufteilen und die Patientin eindeutig der Gruppe niedrig oder hohes Risiko zuordnen.

Mehr als der Hälfte dieser Frauen kann deshalb anhand dieser Tests eine Chemo erspart werden. Somit kann heute jede betroffene Frau, vielmehr als noch vor 10 Jahren, differenzierter betrachtet und individueller von ihren Ärzten behandelt werden.

Beim Genexpressionstest wird das Tumorgewebe auf seine Aggressivität hin im Labor untersucht. Laut Studien kann mit einer Wahrscheinlichkeit von 96 Prozent vorausgesagt werden, ob eine Patientin nach einer Brustkrebsoperation langfristig wieder an Krebs erkranken wird oder nicht. Die Genexpressionstests, der deutsche „EndoPredict“, der amerikanische „Oncotype DX“ und der europäische „MammaPrint“ sind offiziell nicht als kassenärztliche Leistung anerkannt. Da die Kosten zwischen 2.000-3.000€ liegen, können sich diese Untersuchung die meisten Frauen, die gesetzlich versichert sind, nicht leisten. Ein weiterer Schritt auf dem Weg zur Zweiklassenmedizin!

Nach Expertenschätzungen würden Genexpressionstests es ermöglichen, jedes Jahr allein in Deutschland ca. 12.000 bis 15.000 weniger Brustkrebspatientinnen als bisher mit einer überflüssigen und belastenden Chemotherapie zu behandeln, ohne dabei ihre Prognose zu verschlechtern.

Das Deutsche Gesundheitswesen könnte anhand der vorliegenden Datenauswertungen über 100 Mill. € Einsparungen erzielen.

Bewertung der Tests durch die Krankenkassen

Dennoch hat im Juni der zuständige Bewertungsausschuss unter Ausschluss der Öffentlichkeit beschlossen, dass die Leistungsziffern, über die bislang eine Abrechnung möglich war, derart umgeschrieben werden, dass eine kassenärztliche Abrechnung nicht mehr möglich sein wird und zwar ab dem 01. Oktober 2013.

In diesem Gremium saßen unter anderem Vertreter des Spitzenverbandes der gesetzlichen Krankenkassen und der Kassenärztlichen Bundesvereinigung.

Viele von Brustkrebs betroffene Frauen sind der Ansicht, dass alle gesetzlich versicherten Frauen, die für diese Tests in Frage kommen, diese auch nutzen sollten. Und hierbei geht es nicht um uns Frauen, die bereits an Brustkrebs erkrankt sind – wir haben keinen Vorteil mehr von diesen Tests.

Vielmehr setzen wir uns ein für die vielen Frauen, die in Zukunft erkranken werden, und denen sinnlose Therapien erspart werden sollen. Deswegen hoffen wir auf eine breite Unterstützung der Petition aus der Bevölkerung, denn eine Krebserkrankung ist ein Thema, dass leider alle irgendwann treffen kann.

Wir wünschen uns von den politischen Gremien, dass sinnvolle Innovationen zugänglich gemacht werden und weniger Stillstand produziert wird als bislang.

Unser Schritt in die Öffentlichkeit

Auf Grund dessen hatten sich einige von uns betroffenen Frauen direkt nach Bekanntwerden dieses Debakels zusammengeschlossen und 40 teils sehr persönliche Briefe an den bisherigen Gesundheitsminister Herrn Bahr geschrieben. Wir haben die Briefe ihm und den entsprechenden Gremiumsmitgliedern zugeschickt und darin unser lautstarkes Veto geäußert.

Unsere offenen Briefe sind mit großer Fleißarbeit von Rebecca Lehr gesammelt worden, in Form gebracht und an oben genannte Herren und Medien weitergeleitet worden.

Von Anfang an habe ich dabei geholfen, möglichst viele betroffene Frauen zu motivieren, sich in oben genannter Aktion einzubringen. Später habe ich die Aktion über meine Seite bei Facebook und über meine Homepage bekannt gemacht. Meine Homepage hatte ich ursprünglich eingerichtet, um von meinen Erlebnissen mit meiner Brustkrebserkrankung in buchähnlicher Fassung zu berichten. Jetzt konnte ich darüber den Einleitungsbrief von Rebecca Lehr einer breiten Öffentlichkeit zugänglich machen und über unsere Aktion aufklären.

Online Petition beim Deutschen Bundestag

Da wir bislang nichts von den Politikern gehört haben und sich für uns scheinbar wenig im positiven Sinne entwickelt hat, habe ich im September dieses Jahres die Online Petition bei dem Deutschen Bundestag eingereicht in der Hoffnung, endlich Gehör zu finden und etwas bewirken zu können für all die Frauen, die in Zukunft die Diagnose Brustkrebs erleben werden.

Hoffnung

Einer jeder dieser Frauen gilt mein Mitgefühl – für jede trage ich die Hoffnung, dass ihre Krebserkrankung eine weniger aggressive Form beinhaltet. Allen diesen Frauen wünsche ich, dass ihnen die entsprechenden Genexpressionstests in Zukunft zur Verfügung stehen. Auf dass sie keine Chemo durchstehen müssen, mit all ihren Nebenwirkungen, die sie eigentlich nicht benötigen.

Dass sie das Recht haben, mit Hilfe und Beratung ihrer Ärzte, die für sie bestmögliche Therapie zu finden.

Für all diese Frauen setze ich mich ein – mit großer Hoffnung, dass keine meine Schwestern oder Freundinnen je diese Tests benötigen werden.

Sollte dies aber der Fall sein, dass sie diese dann ohne Schwierigkeiten nutzen können.

Bitte unterstützen Sie uns mit Ihrer Unterschrift!

Es ist höchste Eile geboten, denn am 23.10.13 endet die Mitzeichnungsfrist. Jede Stimme für unser Anliegen zählt!

Enttäuschung

Leider hat es nicht geklappt. Die Mitzeichnungsfrist lief am 23.10.13 ab. 50.000 Unterzeichner hätte es gebraucht, aber nur 3.066 haben online unterschrieben.

An mangelndem Engagment  lag es sicher nicht, dass die Petition keine ausreichenden Stimmen erhielt – dafür wurde unser Anliegen zu oft geteilt, zig-fache Mails geschrieben wie an unterschiedlichste Verbände, Selbsthilfegruppen, Politiker und viele weitere Personen, Medien – es wurden Flyer verteilt und ich nahm sogar an einem Bericht von Monitor der ARD teil. Von Frau Prof Dr. Kiechle weiß ich, dass sie eigenhändig unsere Flyer und Scancodes verteilte und meine Mail an sie ebenfalls ein weiteres Mal an entsprechende Verbände weiterleitete.

Es ist scheinbar doch sehr schwer, Menschen zu motivieren sich einzubringen…

Die Petition wird nun geprüft, auch wenn wir die 50000 Stimmen nicht erreicht haben und weiterer Schriftverkehr mit den Abgeordneten steht an. Ein aktueller Artikel vom 21.11.13 fasst den augenblicklichen Stand der Situation sehr übersichtlich zusammen. Lesen Sie auch die Kommentare dazu!

Wir hoffen trotz allem sehr, dass wir noch immer etwas bewegt bekommen!

Über die Autorin

Nicole Kultau, auch bekannt als das Frollein Wunderfein, Jahrgang 1969, kaufmännische Berufsausbildung und derzeit tätig in einem familiengeführten Unternehmen als rechte Hand der Geschäftsleitung auf Teilzeit, 1997 Geburt eines mehrfachbehinderten Jungen – von dem Tag an galt es, eine neue Sprache im medizinischen Bereich zu erlernen und sich als Mutter für ihr besonderes Kind einzusetzen und diesen besonderen Jungen bestmöglich zu fördern (bestens gelungen!!!!).

2010 die Diagnose Mamma Ca, 2012 BRCA2…Auch hier galt es, vieles neu zu erlernen, sich zu informieren und dieses auch umzusetzen und mir als Patientin meine Autonomie weitestgehend zu wahren.
Um alle Erfahrungen der letzten Jahre verarbeiten zu können, schreibe ich. So entstand die Prinzessin uff´m Bersch (den Spitznamen gab mir mein bester Freund) und das i- Tüpfelchen ist der sich anschließende Blog – einfach weil ich das Schreiben als Kopfreiniger brauche…

Erworbenes Wissen und meine Erfahrungen gebe ich gerne an betroffene Frauen weiter, auf dass sie diese schneller nutzen können, kläre auf, soweit es mir möglich ist. Ich versuche Mut zu schenken!

Wenn Sie diese Petition sinnvoll finden, senden Sie den Artikel oder den Link an möglichst viele Adressen oder schreiben Sie einen Kommentar!

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