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Auf die „Kampagne zur Senkung der Kaiserschnittrate“ gingen zahlreiche kritische Kommentare ein. Die erste Vorsitzende des AKF, Dr. Maria Beckermann, gibt eine zusammenfassende Stellungnahme zu den beiden letzten sehr langen Kommentaren von Frau Bujara und Frau J.S. ab, die sie hier nachlesen können.

Antwort von Dr. Maria Beckermann

Sehr geehrte Frau Bujara, liebe Frau J.S.,

Ihre Kommentare kann ich eigentlich zusammen beantworten, weil Sie ähnlich argumentieren.

Wir stimmen Ihnen zu. „Wunsch-Kaiserschnitte“ sind das geringste Problem. Zum einen, weil sie relativ selten sind (weniger als 5%), wie die GEK-Kaiserschnitt-Studie der Universität Bielefeld zeigen konnte. Zum anderen, weil es nicht unsere Absicht ist, Frauen zu bevormunden.

Unsere Argumentation: „Ein Kaiserschnitt ohne medizinische Indikation ist mit höheren Risiken verbunden als eine Vaginalgeburt“ beinhaltet eine Abwägung des Nutzen-Schaden-Risikos. Wenn es ein Problem gibt für Mutter oder Kind, z.B. schlechte Herztöne oder starke Blutungen, wiegt das Operationsrisiko vergleichsweise wenig. Wenn es hingegen gar kein Problem gibt für Mutter und Kind, wiegen Operationsrisiken schwerer.

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Tatsächlich ist es heute umstritten, ob eine geplante unkomplizierte Sectio höhere Risiken hat als eine unkomplizierte Geburt. Es gibt ForscherInnen, die behaupten, eine Sectio wäre genauso sicher. Ich habe mir aber die Vergleiche angesehen und kann der Argumentation nicht folgen. Nach meiner Ansicht werden dort unkomplizierte geplante Kaiserschnitte mit schlecht betreuten Vaginalgeburten verglichen. Deswegen fordern wir eine 1:1 Betreuung unter der Geburt.

Wir haben einen Antrag gestellt, dass das DIMDI (Deutsches Institut für Medizinische Dokumentation und Information) einen HTA-Bericht (Health Technology Assessment) erstellt, um die Frage umfassend zu klären.

Sie haben auch Recht, dass unsere Daten nicht aus einer Studie stammen, die nur Wunschkaiserschnitte untersucht. Das Problem ist ja, dass Wunschkaiserschnitte selten offen als solche deklariert werden. Meistens handeln OperateurIn und Frau einen Deal aus, z.B. einigen sie sich auf eine sog. „weiche“ Indikation, wie Missverhältnis zwischen kindlichem Kopf und mütterlichen Becken. Wir wenden uns gegen eine unglückliche Koalition von unsicheren Frauen, die von den ÄrztInnen die Sicherheit erwarten, und unsicheren ÄrztInnen, die den Frauen lieber einen Kaiserschnitt anempfehlen, weil sie selbst mehr Vertrauen in die OP haben als in die Fähigkeit der Frauen, selbst zu gebären.

Den Abschnitt zu den 86% Frauen, die die Folgen des Kaiserschnittes unterschätzt haben, zitiere ich aus der GEK_Kaiserschnittstudie von Ulrike Lutz und Petra Kolip 2006.

Beurteilung der Folgen einer Kaiserschnittgeburt

Mit drei Fragen wurde erfasst, welche Folgen eines Kaiserschnitts die befragten Frauen als relevant beurteilen (Abb. 5.25). Mit deutlicher Mehrheit (86%) geben die befragten Frauen an, dass die Folgen eines Kaiserschnitts häufig unterschätzt werden. Dieses konnten wir im Rahmen der Befragung zusätzlich auch noch aus vielen schriftlichen Kommentaren entnehmen, die die Frauen zusätzlich zur Beantwortung der Fragen gemacht hatten, bzw. die sie bei der offenen Frage nach den Nachteilen eines Kaiserschnitts machten.

„Es sollte überall deutlicher darauf hingewiesen werden, welche Folgen postoperativ auf die Frauen nach Kaiserschnitt zukommen (Stillprobleme, Schmerzen, Taubheitsgefühl, Narbe…). Die öffentliche Wahrnehmung geht von einem Routineeingriff (Dauer ca. 1 Std.) aus, aber für jede Frau ist es eine große Bauch-OP.“

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Trotzdem sagen nach der Geburt die allermeisten Frauen, unabhängig davon, ob sie einen primären oder sekundären Kaiserschnitt bekommen haben, sie würden sich wieder so entscheiden. Das spricht für unsere Vermutung, dass sie jederzeit die Priorität auf die Sicherheit des Kindes setzen und dafür eigene Nachteile in Kauf nehmen. Dazu stehen sie dann auch nachher.

Im Übrigen halten wir es weder mit der Bibel, die sagt: „Unter Schmerzen sollst Du Deine Kinder gebären“ noch ist „Natürlichkeit“ ein Argument für eine vaginale Geburt. Nach unseren Werthaltungen gehen wir davon aus:

1. dass eine Geburt für Frauen und Familien ein relevantes Lebensereignis darstellt

2. dass es einen Unterschied macht für Frauen und ihre Kinder, ob die Geburt ein aktiver Prozess von Mutter und Kind ist oder ob sie ein passiver Prozess des sich Entbinden-Lassens ist. Das Gebären gibt Frauen ein Gefühl von Potenz, eine Kaiserschnittentbindung verletzt die Integrität des Frauenkörpers. Das macht den Unterschied.

Einmal abgesehen davon, dass es immer Geburten geben wird, die unabhängig vom Entbindungsmodus für Frauen ein unangenehmes bis traumatisches Ereignis sein werden. Aber das Ziel ist, dass möglichst viele Frauen die Option haben sollten, die Geburt – wie auch immer – als einen kraftvollen und schöpferischen Akt zu erleben. Wie sie die Prioritäten setzen, das ist letztlich ihre Sache.

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Aber sie sollten eine echte Wahlfreiheit haben. Einerseits vom medizinischen Setting her, und das ist häufig verbesserungsfähig – so unsere Hypothese. Andererseits von der Persönlichkeit, von ihrer Einstellung, vom soziokulturellen Umfeld her – die sind in der Entscheidungssituation nur sehr wenig beeinflussbar. Deswegen kann und muss die Frau in letzter Instanz selbst die Entscheidung treffen. Deswegen finden wir es aber auch wichtig, eine gesellschaftliche Debatte über das Thema Geburt und Kaiserschnitt herbeizuführen.

Wenn eine Frau sich gut informiert für einen Wunschkaiserschnitt entscheidet, so ist das ebenfalls ein aktiver Akt. Wenn es medizinische Gründe gibt und eine Frau einen notwendigen Kaiserschnitt akzeptieren kann, so ist das ebenfalls ein aktiver Anpassungsakt. Das sollte nicht die Freude und nicht den Stolz mindern und auch nicht die Beziehung zum Kind beeinträchtigen.

Hauptsache, die Frau steht zu ihrer Entscheidung, die nur sie alleine treffen kann.

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